Dr. U. Borgwardt
Das Unwort des Jahres ist eine zivilgesellschaftliche, sprachkritische Aktion, die in Deutschland 1991 ins Leben gerufen wurde. Die Jury der Philipps Universität in Marburg ermittelt jedes Jahr Anfang Januar das Unwort des Vorjahres. Es soll auf unangemessenen, verschleiernden oder diffamierenden öffentlichen Sprachgebrauch aufmerksam machen.
Das Unwort 2022 “Klimaterroristen” ist im öffentlichen Diskurs benutzt worden, um Aktivisten und deren Proteste für mehr Klimaschutz zu diskreditieren. Die Verwendung des Begriffs „Klimaterroristen“ setzt Aktivistinnen und Aktivisten mit Terroristen gleich und kriminalisiert und diffamiert alle Aktionen der Klimaschützer. Gewaltlose Protestformen zivilen Ungehorsams und demokratischen Widerstands werden hier in den Kontext von Gewalt und Staatsfeindlichkeit gestellt.
Der Ausdruck “Sozialtourismus” auf Platz 2 war bereits 2013 zum Unwort gekürt worden. CDU-Chef Friedrich Merz hatte den Begriff im Herbst vergangenen Jahres im Zusammenhang mit ukrainischen Kriegsflüchtlingen benutzt. Dieser Ausdruck diskriminiert alle Menschen, die vor dem Krieg auf der Flucht sind und in Deutschland Schutz suchen.
Der Begriff “defensive Architektur” auf Rang 3 ist irreführend und beschönigend. “Defensive Architektur” steht für eine Bauweise, die verhindert, dass sich Obdachlose oder andere Menschen länger an öffentlichen Orten niederlassen können.
Die Begriffe “Sondervermögen” und “Hygienespaziergang” kamen unter den 1.100 eingereichten Vorschlägen auch in die engere Wahl.
Zeitgleich hat die Börse Düsseldorf das Unwort des Börsenjahres 2022 bekannt gegeben. Es lautet “Zufallsgewinne”. Dieser Begriff war vermehrt ab September des Vorjahres in der Wirtschaftsberichterstattung zu finden und traf insbesondere die heimischen Produzenten erneuerbarer Energien. Unter den weiteren eingereichten Unwörtern rangierten die Begriffe “Sondervermögen”, “Kryptobörse”, “Putinflation” und “eingepreist” auf den Plätzen zwei bis fünf.