Ein Gastbeitrag von Andreas Plath (Universität Rostock)
Wer die Hoffnung bereits aufgegeben hatte, dass den Bildungsstandards für den mittleren Schulabschluss[1] (BS MS) folgerichtig die Bildungsstandards für die Allgemeine Hochschulreife alsbald folgen würden, die lange Wartezeit von 2003 bis 2012 hätte allemal Anlass dazu gegeben, kann nunmehr aufatmen und sich schon seit einiger Zeit auf eine immerhin 387-seitige Lektüre freuen. Vorausgesetzt, es interessieren die Fächer Englisch und Französisch gleichermaßen. Was nach diesen immerhin knapp neun Jahren ans Tageslicht kam, soll in diesem Artikel kurz angerissen und der Blick dabei vor allem nach vorn gerichtet werden. Dabei würde es sich durchaus lohnen, einen Blick zurück zu werfen, um zu ergründen, wie es beispielsweise gelang, die BS MS, die in der Ausrichtung für das Fach Französisch als 1. Fremdsprache (FS) gedacht waren, auf der Anforderungsebene zum allgemeinen Maßstab für das in Klasse 10 zu erreichende Niveau zu erheben, egal, ob curricular 1., 2. (oder 3.) FS. Für diejenigen Fachkollegen[2], die sich über die in diesem Zusammenhang seinerzeit weitgehende Gleichmacherei (Englisch und Französisch als 1. FS) nicht nur im Titel, sondern auch in den Anforderungen (can-do-Standards) ärgerten, mag zumindest der Titel, wenngleich etwas sperrig, milder stimmen. „Bildungsstandards für die fortgeführte Fremdsprache (Englisch / Französisch) für die Allgemeine Hochschulreife“[3] (BS AH), der unabhängig von einer Rangordnung auf einen in den Klassenstufen 11 und 12 fortgesetzten Lehrgang verweist.
Curriculare Unterschiede werden diesmal in Form von Niveaustufenunterschieden zumindest in den allgemeinen Aussagen eingeräumt. Was auch in den EPA Französisch i. d. F. von 2004[4] in Anlehnung an den GeR und bezogen auf das anzustrebende Gesamtniveau mit „einer Bandbreite zwischen den Niveaustufen B2 (niveau avancé) und in einzelnen Bereichen C1 (niveau autonome)“ (S. 7) angesetzt wurde, gilt jetzt nur noch für das Fach Englisch. Die BS AH Französisch sollen sich am Niveau B2 des GeR orientieren[5]. Man mag darin eine haltlose Herabstufung sehen, die Erfahrungen zeigen jedoch, dass ein in der Breite voll ausgebildetes B2 Niveau als Regelstandard wohl auch so manchen Englischkollegen zu Höchstleistungen anspornen dürfte.
Bevor grundsätzliche Aussagen in den BS AH hauptsächlich mit Blick auf das Fach Französisch vorgestellt und kurz kommentiert werden, sei doch noch ein vergleichender Blick zurück gestattet. Betrachtet man die BS MS näher, so präsentieren sie sich zum einen als nüchternes Dekret einer sich zentral gebenden Bildungsverwaltung und zum anderen dirigistisch in der Forderung zur quasi sofortigen Implementierung. Die Bundesländer sahen sich verpflichtet, „die Standards zu implementieren und anzuwenden.“ Insbesondere in den Bereichen „Lehrplanarbeit, […] Schulentwicklung und […] Lehreraus- und -fortbildung.“ (S.4) Abgesehen von der tatsächlichen Implementierung wird rückblickend einigermaßen fassbar, wie tief der viel zitierte Schock über die Ergebnisse der PISA-Studie gesessen haben muss, der zu dieser beinahe hilflosen Initiative führte. Wegweisend waren dennoch die seinerzeit definierten (und inzwischen viel bemühten) Kompetenzbereiche (Funktionale kommunikative Kompetenzen, Interkulturelle Kompetenzen und Methodische Kompetenzen), die eine weitreichende fachdidaktische Debatte zum kompetenzorientierten Französischunterricht auslösten, die längst noch nicht abgeschlossen scheint. Neben den qualitativen Niveaubeschreibungen in den einzelnen Kompetenzbereichen wurden kommentierte Aufgabenbeispiele beigelegt, die sich allerdings allein an den kommunikativen Fertigkeiten orientierten. Da seinerzeit der heute gängige Unterschied zwischen Lern- und Testaufgaben noch nicht vollends ersonnen war, was bedeutet, dass weder den Initiatoren noch den Kollegen ganz klar war, wie diese neuen einheitlichen, qualitativen Anforderungen im Unterricht erarbeitet werden könnten, mussten diese „Aufgabenbeispiele“ zwangsläufig als Testformate interpretiert werden, obgleich dies ausdrücklich nicht beabsichtigt war, wie man vorgab.
Anders die BS AH. Schon in der Einleitung wird ersichtlich, dass an eine sich fortschreibende Dekretierung nicht gedacht ist. Wahrscheinlich haben die Erfahrungen der Implementierung Wirkung gezeigt, wenngleich auch hier Termine gesetzt werden. So sollen erst „ab dem Schuljahr 2016/2017 […] die Abiturprüfungen in allen Ländern auf den Bildungsstandards basieren.“[6] Gleich zu Beginn wird auf die vielfältige teils fachwissenschaftliche, teils fachdidaktische Diskussion zur Standardbasierung und Kompetenzorientierung sowie deren Erkenntnisse aus den letzten Jahren verwiesen. Für den Autoritätsbeweis werden zentrale Einrichtungen und Arbeitsgruppen wie u. a. das IQB in Zusammenarbeit mit Fachexperten und Wissenschaftlern aus der Fachdidaktik ausdrücklich erwähnt, wenn es um die konzeptionelle Anlage geht. So wird der für Außenstehende ziemlich lange Bearbeitungszeitraum etwas verständlicher. Noch mehr Nachsicht kann man aufbringen, wenn man sich die verschiedenen Dimensionen dieses Referenzpapiers vergegenwärtigt hat. Da wurden nicht nur abschlussorientierte (Abitur-)Standards fortgeschrieben, sondern in einem Zuge Abiturprüfungsformate reformiert, was sogar die guten alten EPA obsolet machen soll. So „lösen die Bildungsstandards der KMK für die Allgemeine Hochschulreife die EPA […] vollständig ab.“[7]
Illustriert werden diese Prüfungsformate, durch „exemplarische Prüfungsaufgaben“, die wie vorsichtig formuliert wird, „einen ersten Eindruck davon vermitteln [sollen], wie die in den Bildungsstandards formulierten Anforderungen im Abitur geprüft werden
[sic]
könnten.“[8] Allein ein genauerer Blick in diese Aufgabenformate veranschaulicht, in welchem Maße der aktuelle Stand fachdidaktischer Forschungsdiskussionen einbezogen wurde und was damit gemeint ist, wenn wie in der Einleitung angeführt, von innovativen Impulsen die Rede ist. Auf eine ausführliche Kommentierung muss hier verzichtet werden, nur so viel sei angemerkt: Befürchtungen, dass literarische Texte keine Rolle mehr spielen würden, erweisen sich als unbegründet. Wer jedoch versucht, sich an den guten alten Anforderungsbereichen auszurichten, wird einigermaßen ratlos bleiben. Diese bleiben zwar in ihrer grundsätzlichen Bedeutung erhalten, realisieren sich jedoch in den nun geforderten, breiter gefächerten Prüfungsformaten, die sich an den einzelnen Kompetenzbereichen ausrichten, beinahe nachrangig.
Die schriftliche Abiturprüfung soll sich zukünftig in den verpflichtenden Prüfungsteil „Schreiben“ und einen weiteren Prüfungsteil, der grundsätzlich aus zwei Aufgaben zu unterschiedlichen Kompetenzbereichen besteht, gliedern, „wobei die beiden Kompetenzbereiche aus den folgenden auszuwählen sind: Hörverstehen bzw. Hörsehverstehen, Sprechen, Leseverstehen und schriftliche bzw. mündliche Sprachmittlung.“[9] Für Aufregung dürfte die Festlegung sorgen, dass sowohl Sprechen als auch Hörverstehen bzw. Hörsehverstehen Teil der Abiturprüfung sein müssen. Ansonsten muss „die Überprüfung von mindestens einem dieser beiden Kompetenzbereiche mit dem Gewicht einer Klausur in der Qualifikationsphase [erfolgen]“[10]. Auch für das im Vergleich zu anderen Bundesländern breiter aufgestellte Abiturprüfungsformat in Mecklenburg-Vorpommern (MV) müsste der, wenn auch schwammige, Nachsatz Diskussionen auslösen. Der „entsprechende Kompetenzbereich [muss] identifizierbar sein.“[11]
Doch zurück zu den Kompetenzbereichen, dem einen Kernstück der BS AH, die im Vergleich zu den BS MS nicht ganz so deckungsgleich sind, wie man vermuten würde. In der Fachpräambel wird zunächst das wesentliche Ziel des Fremdsprachenunterrichts der Oberstufe definiert. Im Mittelpunkt steht die „Befähigung zum mündlichen und schriftlichen Diskurs“[12], worunter „eine Verstehens- und Mitteilungsfähigkeit [verstanden wird], die inhaltlich zielführend, sprachlich sensibel und differenziert, adressatengerecht und pragmatisch angemessen ist.“[13] Um die Anschlussfähigkeit an die BS MS zu verdeutlichen, wird klargestellt, dass der Bezug zum GeR ebenso fortbesteht wie der hohe Stellenwert der funktionalen kommunikativen sowie der interkulturellen Kompetenzen. Daneben kommen in der gymnasialen Oberstufe mit „erhöhter Bedeutung“ die Text- und Medienkompetenz sowie die Reflexion über Sprache und Sprachverwendung hinzu. Will „Text- und Medienkompetenz“ noch einleuchten, so lässt „Reflexion über Sprache und Sprachverwendung“ den interessierten Leser zunächst erstaunt aufmerken. Dieser Eindruck verfestigt sich, wenn vorab einerseits der Anschluss an die BS MS betont und lediglich eine Erweiterung eingeräumt wird und andererseits zur Kenntnis genommen werden muss, dass auch die interkulturelle Kompetenz als interkulturelle kommunikative Kompetenz „neu gefasst und positioniert“ [14] wurde. Wenn dann „Sprachbewusstheit“ und „Sprachlernkompetenz“ als eigene Kompetenzbereiche auftauchen, die die Ausbildung der anderen Kompetenzen unterstützen sollen und somit „kompentenzbereichsübergreifend“ wirksam werden sollen, wird klar, dass hier ein qualitativ neues, anderes „Kompetenzkonstrukt“ erschaffen wurde, das hier auf das Wesentliche reduziert abgebildet wird. Die unterbrochene Linie soll dabei den engen Bezug aller Kompetenzbereiche zueinander zum Ausdruck bringen.
Sprach- lern- kompetenz | Interkulturelle kommunikative Kompetenz | Sprach- bewusst- heit |
Funktionale kommunikative Kompetenz Verfügen über sprachliche Mittel und kommunikative Strategien | ||
Text- und Medienkompetenz |
Wer die Wissenschaftspropädeutik vermisst, kann zumindest ein wenig getröstet werden, sie erscheint insgesamt einmal in den allgemeinen Ausführungen zu der bereits o. g. Sprachlernkompetenz, worunter die Fähigkeit und Bereitschaft verstanden wird, „das eigene Sprachenlernen selbstständig zu analysieren und bewusst zu gestalten.“[15] Sprachbewusstheit hingegen „bedeutet Sensibilität für und Nachdenken über Sprache und sprachlich vermittelte Kommunikation.“[16]
An dieser Stelle schimmert der hybride Charakter, eine weitere Dimension der BS AH durch. Es werden auf den Fremdsprachenlernprozess bezogen nicht nur Kompetenzbereiche akzentuiert, sondern der Versuch unternommen, moderne lerntheoretisch motivierte Ansätze umzusetzen, die vor dem Hintergrund von Prüfungsformaten an Grenzen stoßen (müssen), da sie sich z.B. bezogen auf die Sprachbewusstheit (allenfalls implizit) schwerlich prüfen lassen, worauf dementsprechend in den fachspezifischen Hinweisen zur schriftlichen Abiturprüfung[17] verwiesen wird. Hier sei nur der Hinweis erlaubt, dass sich Sprachlernkompetenz, „die nicht explizit in Aufgabenstellungen überprüft wird“[18], letztlich auch in der Gesamtbewertung zeigen wird. Ähnlich verhält es sich mit dem Bereich „Interkulturelle kommunikative Kompetenz“, bei dem sich mancher fragen wird, worin diese Kategorie in dieser sich überschneidenden Prägung ihre Berechtigung findet. Hier fließen Bildungsauftrag und erzieherische Komponenten ein. Es geht beim fremdsprachigen Verstehen und Handeln um Haltungen und Einstellungen, um Empathie oder kritische Distanz gegenüber kulturellen Geprägtheiten, um respektvollen Umgang und qualifizierte kritische Auseinandersetzung. Bei näherer Betrachtung der Ausführungen zur qualitativen Füllung des Kompetenzniveaus kann sich schnell der Eindruck der so genannten „Lehrplanlyrik“ aufdrängen. Angesichts der „Widrigkeiten der Ebene“ scheinen Anforderungen wie „Werte, Haltungen und Einstellungen ihrer zielsprachigen Kommunikationspartner erkennen und unter Berücksichtigung des fremdkulturellen Hintergrundes einordnen“ oder „fremde und eigene Werte, Haltungen und Einstellungen im Hinblick auf international gültige Konventionen (z. B. die Menschenrechte) einordnen“ oder „in für sie [die Schüler, Anm. des A.] interkulturell herausfordernden Situationen reflektiert agieren, indem sie sprachlich und kulturell Fremdes auf den jeweiligen Hintergrund beziehen und sich konstruktiv-kritisch damit auseinandersetzen“[19] als hehre Idealzustände, ganz abgesehen von vermutlich unvermeidbaren Redundanzen. Bei gründlicherer Auseinandersetzung fällt jedoch eine feine Nuancierung innerhalb des durchaus neuartigen Gesamtbildes auf, dessen Leistung wohl vor allem auch darin besteht, eine umfassende Darstellung mit Leitbildcharakter für diese Kategorie zu liefern. Dies war auch nötig, wenn man z.B. die bislang ziemlich uneinheitlichen Ausdeutungen in den Rahmenplänen der Bundesländer kennt.
Von großem Interesse werden ohne Zweifel auch die „Illustrierenden Prüfungsaufgaben zum Erwerb der Allgemeinen Hochschulreife in der fortgeführten Fremdsprache“ sein, die für die Fächer Englisch und Französisch vorliegen. Jegliche Kommentierung sprengte den Rahmen dieses Beitrages, wenn man diesen jeweils drei Beispielen auch nur ansatzweise gerecht werden wollte. Zudem soll dem Leser das Studium dieser Prüfungsaufgaben ausdrücklich anempfohlen werden, da zum einen durch die nicht nur thematisch unterschiedlichen Aufgaben die vielfältigen Formate veranschaulicht werden und zum anderen durch die konsequente und im Übrigen gut nachvollziehbare Anbindung an die Kompetenzbereiche eine Vorstellung vom jeweiligen Anforderungsniveau gewonnen werden kann. Allein die Liebhaber tragender „klassischer“ Literatur und der damit natürlich einhergehenden, philologisch ausgerichteten Analyse werden sich wahrscheinlich enttäuscht abwenden und in den Kompetenzbeschreibungen nach Legitimation suchen müssen. Nicht erfolglos, wie sich mit etwas Mühe herausstellen wird.
Als herausragende Differenzqualität zu den BS MS müssen die „Illustrierenden Lernaufgaben zu ausgewählten Standards“ ab Seite 244 angesehen werden. Zur Erinnerung: Den BS MS folgten Publikationen zur sog. „veränderten Aufgabenkultur“ relativ zögerlich. Meilenstein für das Fach Französisch war sicher das bei Cornelsen erschienene Werk „Bildungsstandards Französisch: konkret“[20] aus dem Jahr 2008, das erste wertvolle Impulse zu geben im Stande war. Diesmal werden die Lernaufgaben sowie die dahinter stehenden Konzepte, so man sie denn auszumachen vermag, gleich mitgeliefert. Diese Lernaufgaben sollen zeigen, „welche Aufgabenstellungen dazu geeignet sein können, die jeweiligen Kompetenzen […] im Unterricht zu entwickeln“[21], was zunächst ganz harmlos auf Unterrichtsentwicklung hindeutet. Wie wenig die Autoren davon überzeugt sein müssen, dass das Prinzip der Lernaufgabe mit all seinen konzeptionellen und planerischen Konsequenzen schon in allen Lehrerzimmern verinnerlicht wurde, zeigen Nachsätze wie „Lernaufgaben sind nicht als Prüfungsaufgaben geeignet.“[22] oder „dass es sich bei den Lernaufgaben nicht um komplette Unterrichtseinheiten handelt, die auf eine umfassende Bearbeitung des jeweiligen Materials abzielen, sondern um ausgewählte Aufgabenstellungen, die gezielt einzelne Kompetenzen in den Blick nehmen.“[23] In der Tat demonstrieren die vier Lernaufgaben recht plausibel, was hinter dem Konzept „Lernaufgabe“ steckt und welche Konsequenzen sich daraus für die Planung und Gestaltung des eigenen Unterrichts ergeben (können), zumindest für diejenigen, die bislang noch nicht die Zeit fanden, sich intensiver damit zu beschäftigen. Löblich ist, dass die Autoren nicht nur die mündliche und schriftliche Diskursfähigkeit, sondern auch alle anderen Kompetenzbereiche in den Blick genommen haben, sodass ein differenziertes Bild von den vielfältigen Herausforderungen im Übrigen auf Lerner- und Lehrerseite entstehen kann.
Fazit: Im Vergleich zu den BS MS kann bezogen auf die Kompetenzbereiche von altem Wein nur bedingt keine Rede sein. Zwar nimmt die funktionale kommunikative Kompetenz nach wie vor eine zentrale Stellung ein, doch wurde die Text- und Medienkompetenz gewichtig herausgehoben, die Sprachbewusstheit sowie die Sprachlernkompetenz beigemischt. Auch die neu gefasste interkulturelle kommunikative Kompetenz dürfte die Grundnote verändern. Im Vergleich zu den EPA ist der Abstand ungleich größer, da hier die in der Tat neuen Schläuche, Prüfungsformate, gesetzt werden, auch wenn die derzeit aktuelle EPA vielfältige Aufgabenformate zulässt (siehe Kombinierte Aufgabe), was die Verantwortlichen in den Bundesländern jedoch nicht allzu sehr inspiriert haben kann. Durch die verbindliche Einführung bestimmter Aufgabenformate vor dem Hintergrund der angezeigten Kompetenzbereiche wird sich die Abiturprüfung in den modernen Fremdsprachen nicht nur vereinheitlichen, sondern grundlegend ändern, was Unterrichtsentwicklung zur Folge haben wird und sicher auch soll. Wer die Regulierung von Unterrichtsskripten durch Prüfungsformate hoch problematisch findet, kann sicher zu Recht das eine oder andere Geschütz in Stellung bringen, allein die Festung wird uneinnehmbar bleiben.
Über die Auswirkungen für „die Bildungsadministration, die Lehreraus- und Lehrerweiterbildung sowie die Schulpraxis“[24] ist man sich dabei durchaus im Klaren. Verheißungsvoll wird deshalb angekündigt, dass die „ Länder daher Strategien entwickeln und umsetzen [werden], die darauf abzielen, die Erreichung der vereinbarten Zielvorgaben zu gewährleisten.“[25] Wie grundlegend und wichtig das ist, soll ausgehend von den so genannten Rahmenbedingungen, ein Vergleich allein aus makrostruktureller Sicht kurz zeigen. Im Mittelpunkt stehen Lernjahre und Unterrichtsstunden* für das Fach Französisch als zweite Fremdsprache, die einem Schüler bis zur Abiturprüfung potentiell gewährt werden.
Als Vergleichsbasis sollen die Bundesländer dienen, die ursprünglich bereits für das Jahr 2014 eine gemeinsame Abiturprüfung anstrebten (Bayern (BY), Hamburg (HH), Mecklenburg-Vorpommern (MV), Niedersachsen (NI), Sachsen (SN) und Schleswig-Holstein (SH)), für die allerdings nach letztem Stand eine gemeinsame Aufgabe zur Sprachmittlung auf erhöhtem Anforderungsniveau vorgesehen ist.
Augenfällig sind die Unterschiede
in der Lernzeit. Bis auf Mecklenburg-Vorpommern haben alle diese Bundesländer
den Beginn der 2. FS mindestens auf Klasse 6 vorverlegt. Noch drastischer fällt
der Vergleich der potentiell verfügbaren Wochenstunden (Unterrichtsstunden pro
Woche hochgerechnet auf die Lernjahre) aus. Zum Vergleich wurde hier das
Unterrichtsfach Englisch beigefügt.
In allen hier betrachteten Bundesländern stehen zunächst mehr Unterrichtsstunden für das Fach Englisch zur Verfügung, was nicht das Hauptproblem darstellt, da bei späterem Beginn mit mehr Sprachlernkompetenz und höherer intellektueller Reife sicher eine stärkere Progression zu erreichen ist. Allerdings sind hier die Unterrichtsstunden für Englisch im Primarbereich nicht erfasst, was die Diskrepanz insgesamt verschärft. Dass dieses Missverhältnis kein Naturgesetz sein muss, also regulierbar ist, sieht man in Sachsen oder Niedersachsen. Deutlich wird auch, dass die zu vermutende Proportionalität zwischen Lernjahren und Unterrichtstunden unterschiedlich gelöst werden kann. Und warum nicht zu Lasten von Englisch wie in Sachsen? Hier sind grundsätzliche konzeptionelle Lösungen nötig, wobei das Rad nicht neu erfunden werden muss. Eines scheint jedoch ganz klar. Wenn im Schuljahr 2016/2017 alle Abiturienten in vergleichbaren Prüfungsformaten und auf einem annähernd vergleichbaren Niveau geprüft werden sollen, dann sind auch annähernd vergleichbare Rahmenbedingungen für die Schüler (und die Lehrer) notwendig. Es sei denn, man gießt Wasser in den Wein.
Literatur
– Bildungsstandards für die erste Fremdsprache (Englisch/Französisch) für den Mittleren Schulabschluss
(Jahrgangsstufe 10) KMK, Beschluss vom 4.12.2003.
– Einheitliche Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung Französisch (Beschluss der Kultusministerkonferenz
vom 01.12.1989 i.d.F. vom 05.02.2004)
– Bildungsstandards für die fortgeführte Fremdsprache (Englisch / Französisch) für die Allgemeine Hochschulreife
(Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 18.10.2012)
*Die Angaben zu den Rahmenbedingungen in den einzelnen Bundesländern sind mit einer gewissen Vorsicht zu betrachten. Sie beruhen auf Angaben, die über die jeweiligen Bildungsbehörden im Netz zugänglich waren. Es gibt jedoch keine einheitliche Darstellungsform anhand einheitlicher Parameter. Rückfragen bei regional tätigen Fachkollegen ergaben, dass die Aussagen „im Prinzip“ stimmten, es jedoch lokal auch andere Lösungen gibt.