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5. April 2014 von Ulf Borgwardt

Selbstevaluation im Russischunterricht

Selbstevaluation im Russischunterricht
5. April 2014 von Ulf Borgwardt

Selbstevaluation im Russischunterricht mit Hilfe von Selbsteinschätzungen

1. Die Selbstevaluation als Schlüssel zum selbstbestimmten Lernen

Selbstbestimmtes Lernen ist dadurch gekennzeichnet, dass der Lehrer die Schüler in seine Füh­rungsrolle im Lehr- und Lernprozess schrittweise mit einbezieht, ihnen in wachsendem Umfang die Möglichkeit einräumt und sie zunehmend dazu befähigt, Teile des Lernprozesses selbst­verant­wort­lich zu steuern, Lerninhalte vorzuschlagen und auszuwählen, authentische Mate­ria­lien und Zusatzangebote an Sprachstoffen, Texten und Aufgaben verstärkt zu nutzen, das ei­gene Übungs- und Wiederholungspensum auf der Grundlage eines Auswahlan­gebots an Lern­­­­auf­gaben mit unterschiedlichem Übungsschwerpunkt, Anforde­rungs­grad und Umfang indi­viduell festzulegen, sich für bestimmte Lernstrategien, Arbeitstechniken und -mittel zu ent­scheiden, diese zu erproben und sich deren Vorzüge und Nachteile klar zu machen. Selbst­gesteuertes und eigenverantwortliches individualisiertes Lernen entwickelt sich nicht von selbst und kann folglich bei den Schülerinnen und Schülern auch nicht vorausgesetzt werden. Es erfordert vielmehr ein relativ hohes Maß an Sprach-, Methoden-, Selbst- und Sozial­kompetenz der Lernenden und an Mündigkeit für die von ihnen zu treffenden Entscheidungen. Eine solche Handlungskompetenz kann sich unter den Rahmenbedingungen, die für den Fremd­sprachen- und somit auch für den Russischunterricht im heutigen System Schule typisch sind, nur schwer entwickeln, so dass sie derzeit wohl eher die Ausnahme denn die Regel ist. Damit die Aus­nah­me zur Regel werden kann, müs­sen zahlreiche von Liesel Hermes konkret angesprochene Hinder­nisse1, die die Heranführung der Lernenden an selbst­gesteuertes und eigenverant­wort­liches indivi­du­ali­­sier­tes Lernen im schulischen Fremd­spra­chen­unterricht bis­her sehr erschwe­ren, aus dem Wege ge­räumt werden. Dazu aber müssen sich die derzeit einer sol­chen Ent­wick­lung wenig förder­li­chen Rahmenbedingungen im System Schule deutlich ändern. Ungeachtet der hier nahe­zu über­all vorherrschenden Fremd­bestimmung sollte auch schon jetzt das Mögli­che getan wer­den, um selbst­gesteuertes und eigenverantwortliches indi­vi­du­alisiertes Lernen  fördern und ent­wickeln zu helfen. Es kann m.E. nur das Ergebnis sorgfältig geplanter, die Schü­le­rinnen und Schü­ler nicht überfordernder Einübungsphasen sein, in denen anfangs noch der Lehrer die Lernpro­zesse allein steuert und die Lernausführung unmittelbar kon­trolliert, dann nur noch die Lern­ziele und die Problem­situationen vorgibt, die Lernaufgaben aber bei zu­neh­mender Planung, Motivie­rung und Selbstregulierung durch den Lernenden bearbeiten lässt, ihn bei Bedarf jedoch individuell berät, bis im Idealfall der Schüler im wachsenden Maße schließlich die Lernziele und Lernstrategien selbständig und eigen­verantwortlich festlegt, den Lernprozess reguliert und die Lernergeb­nisse kontrolliert.2 Im Prozess der Befähigung zum selbstbe­stimmten Lernen spielen neben der dafür nötigen geistigen Reife, Motivation und Intellektualität zunächst noch die Fremd­beobachtung und Fremdsteuerung sowie die Leis­tungsfeststellung und -messung und dann immer stärker die Selbstevaluation und Indivi­duali­sierung des Lernens eine Schlüs­sel­­rolle.

Selbstevaluation umfasst die Fähigkeit, das eigene Fühlen, Denken und Handeln zu über­wa­chen und zu reflektieren, sich selbst einzuschätzen, die eigenen Lernfortschritte bewusst zu erle­ben, sich aber auch mit Unsicherheiten, Lernschwierigkeiten und -rückständen sowie deren möglichen Ursachen aktiv auseinander zu setzen, Selbstlernmaterialien und Hilfsmittel (z.B. Nachschlagewerke, Checklisten, Lernposter, interaktive Lernsoftware) zur Überwindung der eigenen Schwächen zu nutzen, eigene Lernmuster zu erkennen, zu bekräftigen oder aber in Frage zu stellen und zu verändern, immer neue Lernziele anzustreben, das individuelle Agieren zu motivieren und zu steuern. Dazu gehört auch, dabei nach immer effektiveren Lernwegen zu suchen, diese zu erproben, die Lernerfahrungen zu analysieren und sich über die Ergebnisse mit anderen auszutauschen. Auch zur Selbstevaluation müssen die Lernenden in allen Unter­richts­fä­chern systematisch befähigt werden. Dazu kann und muss selbstver­ständ­lich auch der Rus­sisch­un­ter­richt beitragen, der als in der Regel 2. Fremdsprache in den neuen Bundesländern und 3. Fremdsprache in den alten Bundesländern allerdings im Hinblick auf Selbstevaluation beim Fremdsprachenlernen schon auf Vorerfahrungen aus den schon früher gelernten  Fremd­­spra­chen zurückgreifen kann und diese auch unbedingt nutzen sollte. Die Vermittlung und Aneignung der für selbstbestimmtes Lernen notwendigen Grundkenntnisse quasi als eine Art Monitor zur Überwachung und Optimierung der Lern- und Arbeitshandlungen und die Entwicklung der dafür gleichfalls unverzichtbaren Handlungs­kompetenz dürfen natürlich nicht um ihrer selbst betrieben, sondern sollten möglichst unmittelbar in den Sprachlernprozess inte­griert werden.

2. Befähigung der Russischlernenden zur Selbstevaluation

Bevor damit begonnen werden kann, die Russischlernenden zur Selbstevaluation zu befähi­gen, müssen sie dafür grundsätzlich bereit und offen sein, darin eine reale Chance für eigene Lernerfolge sehen. Das gelingt ihnen um so besser, je mehr sie sich mit den zunächst noch vor­ge­gebenen Lernzielen identifizieren und für deren Erreichung einsetzen, je klarere Vor­stel­lungen sie vom Zielbild und vom Weg dorthin haben, je ehrlicher und selbstkritischer ihr Ver­hält­nis zur eigenen Lernbereitschaft und Lernleistung ist, je stärker sie für eigene Lernprobleme und Unsicherheiten sensibilisiert sind, je differenzierter sie Fehler und Abstri­che an der Zielad­äquatheit der eigenen Leistungen wahrneh­men, je besser sie die ihnen bekannten Hilfsmittel, Lernstrategien und Lerntechniken ziel-, bedingungs-, situations- und aufgaben­ge­recht zu nutzen verstehen. Davon hängt auch ab, wie sehr sie noch auf die Hilfe des Lehrers ange­wiesen sind, wo bei der (weiteren) Befähigung zur Selbstevaluation angesetzt werden sollte, welche der o.g. Fähigkeiten als nächste behutsam ausgebildet werden müssen, welche Maßnahmen sich dafür im aktuellen Entwicklungsstadium anbieten.

Um wenigstens anzudeuten, wie auch im heutigen Russischunterricht die Befähigung zur Selbstevaluation gefördert und entwickelt werden kann, werden nachstehend einige Mög­lich­keiten aufgezählt, die sich als geeignet erwiesen haben:

  • Beteiligung der Lernenden an der durch den Lehrer vorgenommenen Einschätzung fremder und eigener Schülerleistungen, anfangs noch nach zunächst vom Lehrer vorgegebenen, danach zwischen Lehrer und Schülern ausgehandelten Kriterien;
  • Einschätzen schriftlicher Arbeitsergebnisse in Partnerarbeit (und Selbstkorrektur der an­ge­strichenen Fehler sowie Prüfung von Hinweisen zur Überarbeitung und ggf. Über­ar­beitung des Textes, danach erneuter Austausch und gegenseitige Begutachtung der Arbeits­ergebnisse);
  • Vorstellen von in Partnerarbeit eingeschätzten und überarbeiteten Arbeitsergebnissen und Beurteilung der Einschätzungen und Korrekturen bzw. Überarbeitungen im Plenum;
  • Austausch in Gruppenarbeit entstandener Projekte und gegenseitige schriftliche Ein­schät­zung der Arbeitsergebnisse nach vorher ausgehandelten Kriterien, Vortrag und Diskussion der Einschätzungen im Plenum;
  • Zusammentragen und Wichten von Bewertungskriterien für zu lösende Arbeitsaufgaben;
  • Notieren der bei der Lösung einer Arbeitsaufgabe angewendeten Lern- und Arbeits­tech­ni­ken, Anschreiben derselben an die Tafel und Erfahrungsaustausch über die Effizienz der gesammelten Strategien und Verarbeitungstechniken sowie Überprüfung der gewonnenen Erkenntnisse bei weiteren Aufgaben;
  • Zusammenstellen von Checklisten und Schrittfolgen z.B. in Form eines Redeplans für das monologische Sprechen oder Schreiben eines Briefes;
  • Ankreuzen besonders effizienter Lern- und Arbeitstechniken auf Selbsteinschätzungsbo­gen;
  • Formulieren von Lerntipps zum Bearbeiten bestimmter Aufgabentypen für Mitschüler.

3. Heranführen an die Selbstevaluation durch den Sprachenpass und das Sprachenportfolio

Mit der schrittweisen Heranführung und Befähigung der Schülerinnen und Schüler zur Selbstevaluation beim fremd- und selbstbestimmten Lernen kann nicht früh genug begonnen werden. Je früher dieser langwierige und keineswegs einfache Prozess eingeleitet wird, je mehr Unterrichtsfächer daran beteiligt sind, je effizienter sie nach einem einheitlichen Konzept fächerübergreifend zusammenwirken, desto größer sind hierbei auch die Erfolgschancen. Vor diesem Hintergrund ist die erstmalige Erprobung eines Sprachenpasses bzw. eines Sprachen­portfolios in diesem Schuljahr im Fremdsprachenunterricht der Jahrgangsstufen 3 und 4 sowie 5 und 6 in den Schulen von Mecklenburg-Vorpommern nur zu begrüßen. Damit verfügen die Lernenden dieser Jahrgangsstufen nun landesweit über ein gelungenes und ansprechend gestaltetes Hilfsmittel, um ihre Sprachkom­petenz in größeren zeitlichen Abständen selbst  einschätzen zu lernen.

Der Sprachenpass für den Fremdsprachenfrühbeginn der Jahrgangsstufen 3 und 4 ermuntert die Schülerinnen und Schüler dazu, sich darüber Gedanken zu machen, was ihnen beim Sprachen­lernen am meisten Spaß bereitet hat, was sie besser können, genauer wissen, häufiger, weniger bzw. gar nicht tun möchten. Nach dem 1. und nach dem 2. Lernjahr sollen sie sich quasi selbst darüber Rechenschaft ablegen, wie viele Geschichten sie kennen, wie viele Lieder, Reime und Gedichte sie singen bzw. aufsagen können, welche davon sie besonders mögen und welche Spiele ihnen am besten gefallen. Außerdem werden sie zu Aussagen darüber angeregt, was sie im Hörverstehen, Sprechen, Lesever­stehen und Schreiben schon können, noch üben müssen und noch nicht können. Konkrete Vor­gaben zu den Kompetenzbereichen erleichtern ihnen diese Selbstein­schätzun­gen. Eine Seite ist im Sprachenpass für Beurteilungen durch die Leh­re­rin bzw. den Lehrer am Ende der Klassen 3 und 4 reserviert, die die Selbsteinschätzungen der Lernenden entweder bestätigen oder aber relativieren, die zugleich auch den Eltern eine erste Orientierung geben, wo ihre Kinder nicht nur in der Sprachentwicklung, sondern auch auf dem Weg zur Selbst­evaluation stehen. Die dritte Umschlagseite des Sprachenpasses mit der Aufschrift „Meine besten Arbei­ten“ ist ein Anreiz, besonders gelungene Zeichnungen, Bildge­schichten, Karten usw. zu sam­meln. Auch die hier aufbewahrten Leistungen sagen oft mehr als Zensuren über die Sprach­be­herr­schung aus, zumindest aber die Einstellung zum Sprachen­lernen wird hier deutlich sichtbar.

Das Sprachenportfolio für die Jahrgangsstufen 5 und 6 gliedert sich in eine Sprachen­bio­grafie, einen Sprachenpass und ein Dossier. In seiner Sprachenbiografie gibt der Lernende an, welche Sprachen er zu Hause spricht, in der Schule lernt und mit welchen er sich während der Ferien, bei Auslandsaufenthalten usw. intensiv beschäftigt hat. Der Sprachenpass besteht aus einem Raster zur Selbsteinschätzung des Hör- und Leseverstehens, Sprechens, Schreibens und Aus­drucksvermögens in den gelernten Sprachen nach sprach­lichen Niveaustufen. Diese werden in einer Übersicht erläutert. Im Sprachenpass ist außerdem Platz gelassen worden für Kom­men­tare der Sprachlehrer zur Selbstein­schät­zung der Lernenden und für deren Reflexionen zu eigenen Erwartungen an den Sprach­unterricht und zu Lernproblemen. Den Sprachenpass vervollständigen Kopiervorlagen für zwei Fremdsprachen zur Selbstbeu­r­teilung des eigenen Sprachkönnens, der Handlungskompetenz in vorgegebenen Sprach­situa­tionen und der individuellen Stärken beim Sprachenlernen. Das Dossier dient dazu, besonders gelungene Arbeiten zu dokumentieren.  

Sprachenpass und Sprachenportfolio sind beide sehr gut geeignet, um den Dialog zwischen Schüler und Lehrer über individuelle Erfahrungen und Beobachtungen beim Sprachenlernen in Gang zu setzen bzw. zu intensivieren und daraus für beide Seiten unmittelbaren Nutzen für die Unterrichtsgestaltung zu ziehen.

4. Funktion und Einsatz von Selbsteinschätzungsbogen

Auf eine weitere Möglichkeit zur Befähigung der Fremdsprachen- und somit auch Rus­sisch­lernenden zur Selbstevaluation, auf die Arbeit mit Selbstein­schät­zungsbogen, soll nun aus­führ­licher eingegangen werden. Die Selbsteinschätzungsbogen sind m.E. geeignet, um die Schü­lerin­nen und Schüler zur Reflexion über ihre individuelle Lerntätigkeit und über die eigenen Arbeits- und Lerntechniken zu motivieren und anzuleiten, sie zu einer ehrlichen und selbstkri­tischen Lern­hal­tung und Arbeitsweise zu erziehen. Ist bei den Lernenden das Interesse und die Bereit­schaft zu Selbsteinschätzungen erst einmal geweckt, sollten sie sich darin hinreichend testen und üben, Erfah­rungen in der Handhabung von Arbeits- und Lern­techniken sammeln, sich darüber unter­einander austauschen und die eigene Kompetenz in der An­wen­dung effizien­ter Arbeits- und Lerntechniken weiter entwickeln und qualifizieren können.

Wie man sich diesem Ziel im Russischunterricht nähern kann, wird im Folgenden am Beispiel  eines Selbstein­schät­zungsbogens zu der speziell im Fremd­sprachenunterricht häufig gestellten Frage „Wie lerne ich am besten Vokabeln?“ gezeigt werden, die viele Schülerinnen und Schüler bewegt:

Ich lerne Wörter am besten, Bitte ankreuzen
wenn ich sie laut vor mich hinspreche. O
wenn ich sie in einem bestimmten Rhythmus laut wiederhole. O
wenn ich sie laut vor mich hinspreche und mir dabei ein bestimmtes Bild vorstelle. O
wenn ich mich an die Umstände erinnere, unter denen ich sie gehört habe. O
wenn ich mich an den Text erinnere, in dem ich sie gelesen habe. O
wenn ich sie zuerst ins Deutsche und danach ins Russische übersetze. O
wenn ich für die Übersetzungen meine Vokabelkartei benutze. O
wenn mich jemand abfragt. O
wenn ich sie aufschreibe. O
wenn ich sie aufschreibe und bekannte Wortteile unterstreiche oder farbig markiere. O
wenn ich sie aufschreibe und dazu weitere Wörtern derselben Wortfamilie notiere. O
wenn ich sie nach Themen oder Sachgebieten geordnet aufschreibe. O
wenn ich sie nach Wortarten geordnet aufschreibe. O
wenn ich sie aufschreibe und ihnen die entsprechenden Antonyme zuordne. O
wenn ich sie aufschreibe und mit anderen Wörtern zu einem Wortnetz verknüpfe. O
wenn ich sie auf Zettel schreibe und mir dazu etwas aufmale. O
wenn ich sie auf Zettel schreibe und gut sichtbar in meinem Zimmer aufhänge. O
wenn ich sie auf Zettel schreibe und überall dort lerne, wo das gerade möglich ist. O
wenn ich sie auf Zettel schreibe und damit Memory spiele. O
wenn ich Wortgruppen zu einem Thema oder Stichwort aufschreibe. O
wenn ich mit ihnen Fragen stelle. O
wenn ich mit ihnen Fragen stelle und diese zu beantworten versuche. O
wenn ich sie im Gespräch benutze. O
wenn ich mit ihnen kleine Texte schreibe. O
wenn …  

Dieser Selbsteinschätzungsbogen gibt darauf immerhin 24 Antworten, von denen wichtige lernleitende und -beratende Signale für das Vokabellernen ausgehen (können). Der Lernende sollte nicht mehr als die Hälfte der Antworten ankreuzen. Er wird sich vor allem mit jenen Arbeits- und Lerntechniken identifizieren, die er selbst bereits erfolgreich praktiziert. Er sieht sich in diesen Fällen in seiner Methodenkompetenz bestätigt. Anderen Lerntechniken steht er mehr oder weniger distanziert und ablehnend gegenüber, weil er damit eher negative Lernerfahrungen verbindet. Wieder andere sind ihm möglicherweise noch völlig unbekannt. Auch sie sollte er markieren. Sie regen ihn im Idealfall dazu an, sie zu auszuprobieren oder aber sich für die Erfahrungen zu interessieren, die  Mitschülern mit ihnen gesammelt haben. Schon diese Impulse sind wichtig  für jeden Lernende auf dem Wege zur Selbstevaluation, denn sie schulen sein Selbsteinschätzungsvermögen und sensibilisieren ihn für die Suche nach neuen, noch effizienteren Lern- und Arbeitstechniken.

Auch dem Lehrenden geben die angekreuzten und markierten Antworten interessante Aufschlüsse für seine Unterrichtsarbeit. Sie zeigen ihm u.a., welche Lern- und Arbeits­techniken von den Schülern favorisiert bzw. unterschätzt werden, welche möglicherweise nicht ihrem Lernstil entsprechen, welche ihnen noch fremd sind, welche im Unterricht stärker propagiert, besser erklärt, vielseitiger und häufiger geübt werden sollten. Sie lassen ihn ferner erkennen, mit welchen Lerntipps er welchem Schüler z.B. beim Vokabellernen am meisten helfen kann.

Wer die vielen Antworten in dem Selbsteinschätzungsbogen für kontraproduktiv hält, weil sie eigene Erkenntnisse und Erfahrungen vorwegnehmen, die Schüler in ihrer Reflexion über das Vokabellernen mehr behindern als fördern könnten, sollte ihnen besonders dann, wenn sie  ihre in­dividuellen Lernwege bereits wiederholt offengelegt haben, den Selbstein­schät­zungs­bogen ohne die Antworten aushändigen und sie die Frage ohne Vorgaben beantworten lassen. Dabei sollten von jedem Befragten möglichst mehrere Antworten verlangt werden. Der Vorteil dieser Vorgehensweise besteht darin, dass die Schüler hier mehr gefordert sind, ihre Mnemotechniken im Hinblick auf deren Effizienz gründlich zu analysieren, als dies beim Ankreuzen der zutref­fenden Auswahlantworten gelegentlich der Fall ist. In weiteren Schritten können sich ein Er­fahrungsaustausch der Schüler über die Vor- und Nachteile der verschiedenen Lernstrategien und die Erprobung unterschiedlich beurteil­ter Strategien an weiteren Lernaufgaben anschlie­ßen.

Ist in der Klasse z.B. die Mei­nung verbreitet, es genüge, Vokabeln nur mündlich zu lernen, sollte dieser Lernweg in einem Experiment von seinen eifrigsten Befürwortern prakti­ziert, Alternativen zu diesem Vorgehen unter sonst gleichen Bedingungen (gleiche Zeitdauer, gleiche Vokabeln) von anderen Lerngrup­pen getestet werden. Während sich eine Lerngruppe die zu übenden Vokabeln nur mündlich einprägt, kann eine zweite mündliches Üben mit schriftlichem verbinden, eine dritte die Vokabeln beim schriftlichen Üben nach bestimmten Prinzipien ordnen und eine vierte zusätzlich nach behaltensfördernden Beziehungen zu Bekanntem suchen und diese markieren. Danach werden die bei einer mündlichen und bei einer schriftlichen Voka­bel­kontrolle erreichten Lernergebnisse der einzelnen Lerngruppen miteinander verglichen. Manch­mal überzeugen solche Lernexperimente mehr als noch so viele Appelle, weil die dabei gewon­nenen lernstrategischen Erkenntnisse im Rahmen eigener Erfahrungen gebildet wurden. 

5. Vorschläge für die inhaltliche Gestaltung von Selbsteinschätzungsbogen

Wer wie ich in der Einbeziehung von Selbstbewertungsbogen eine geeignete Möglichkeit sieht, um die Schülerinnen und Schüler anzuregen, anzuleiten und immer besser zu befähigen,  selbständig über den eigenen Lernstil und die dabei verwendeten Arbeits- und Lerntechniken zu reflektieren, sich mit deren Effizienz zunehmend aktiver, differenzierter und selbstkritischer auseinander zu setzen, nach neuen, möglichst noch erfolgreicheren Lernwegen zu suchen, wird den Lernenden dabei auch behilflich sein müssen. Dazu genügt es nicht allein, die richtigen Fragen zu stellen; mindestens ebenso wichtig ist es, diese Fragen für die unterschiedlichen Lerntypen und Lernstile auch so zu beantworten, dass sich jeder Lernende mit einzelnen der angebotenen Lernstrategien identifizieren kann, einen für sich akzeptablen Lernweg findet. Deshalb werden abschließend einige Lerntipps für die Aneignung von Grammatik und für die Entwicklung des Hör- und Leseverstehens und des Sprechens und Schreibens angeboten. Diese können je nach Bedarf in diesen oder ähnlichen Formulierungen auch in die Selbsteinschät­zungs­bogen für die Russischlernenden aufgenommen und noch weiter vervollständigt werden. In jedem Falle sollte auf dem Selbsteinschätzungsbogen zusätzlich ausreichend Platz für Lerntechniken eingeplant werden, die die Schüler ergänzen möchten, weil sie damit bereits gute Erfahrungen gemacht haben und weil sie ihnen besonders wichtig sind.

Wie lerne ich am besten Grammatik?

Ich lerne am besten Grammatik, Bitte ankreuzen
wenn ich die betreffende Regel gut verstanden habe. O
wenn ich selbst herausgefunden habe, warum gerade diese grammatische Form oder Struktur hier zu verwenden ist. O
wenn ich die Regeln mit meinen eigenen Worten wiedergebe. O
wenn ich das, was ich nicht verstanden habe, als Frage(n) formuliere und mich damit an den Lehrer oder Mitschüler wende. O
wenn ich Beispiele für eine Regel aus Texten heraussuche. O
wenn ich meine eigenen Beispiele für eine Regel finde. O
wenn ich mir „Eselsbrücken“ baue. O
wenn ich in Mustern die neuen grammatischen Formen und Strukturen markiere. O
wenn ich versuche, die Regel jemand anders zu erklären. O
wenn ich Muster als Vorlage für andere Beispiele nutze, die ebenso gebildet un/oder gebraucht werden. O
wenn ich mich beim Sprechen und Schreiben verbessern lasse. O
wenn ich angestrichene Fehler in Übungsbeispielen selbst verbessere. O
wenn ich mir Fehler mit Hilfe von Lösungsschlüsseln zu erklären versuche. O
wenn  

Wie lerne ich russische Hörtexte verstehen?

Hörtexte verstehe ich am besten, Bitte ankreuzen
wenn ich auf den Textinhalt eingestimmt worden bin. O
wenn ich vor dem Hören weiß, was von mir verlangt wird. O
wenn ich vor dem Hören möglichst viele Vorinformationen zum Textinhalt habe. O
wenn ich vor dem Hören Vermutungen zum Textinhalt anstellen kann. O
wenn es Orientierungsfragen zum Hörtext gibt. O
wenn ich den Sprecher sehen kann. O
wenn auf dem Tonband keine Hintergrundgeräusche zu hören sind. O
wenn auf dem Tonband Hintergrundgeräusche zu hören sind. O
wenn ich den Text mehrmals hören darf. O
wenn ich Textstellen, die ich nicht verstanden habe, einfach nicht weiter beachte. O
wenn ich Zeit habe, mir Notizen zum Gehörten zu machen. O
wenn ich eine Bildfolge in die richtige Reihenfolge zu bringen habe. O
wenn ich mich unter mehreren Lösungen für eine zu entscheiden habe. O
wenn ich Fragen zum Text beantworten muss. O
wenn ich jede Gelegenheit nutze, um russische Texte zu hören. O
wenn  

Wie lerne ich geschriebene russische Texte verstehen?

Geschriebene Texte verstehe ich am besten, Bitte ankreuzen
wenn mich der Textinhalt interessiert. O
wenn Bilder den Textinhalt zusätzlich veranschaulichen. O
wenn die Textüberschrift und Teilüberschriften zum Verstehen beitragen. O
wenn ich den Text ganz alleine still lese. O
wenn mir jemand den Text vorliest. O
wenn ich den Text laut vorlesen darf. O
wenn ich den Text übersetze. O
wenn ich den Text zunächst „überfliegen“ kann, bevor ich ihn genauer lese. O
wenn ich vor dem Lesen eine Aufgabe für den Text bekomme. O
wenn ich nach dem Lesen eine Aufgabe für den Text bekomme. O
wenn ich im Text die Stellen bzw. Wörter markieren kann, die nach meiner Meinung für den Inhalt wichtig sind. O
wenn ich mir Notizen zum Gelesenen machen kann. O
wenn ich Bilder zum Text in die richtige Reihenfolge zu bringen habe. O
wenn ich unter mehreren Lösungen eine ankreuzen soll. O
wenn ich Angaben aus dem Text in eine Tabelle eintragen soll. O
wenn ich Fragen zum Text beantworten muss. O
wenn ich jede Gelegenheit nutze, um russisch zu lesen. O
wenn  

Wie lerne ich es, zusammenhängend russisch zu sprechen?

Russisch sprechen lerne ich am besten, Bitte ankreuzen
wenn ich weiß, was ich sagen will. O
wenn ich mir vorher einen Redeplan mache. O
wenn ich mich dabei auf Stichpunkte stützen kann. O
wenn ich mich dabei auf Bilder, Gegenstände, Karten u.ä. stützen kann. O
wenn ich mich dabei auf Leitfragen stützen kann. O
wenn mir mein Gesprächspartner hilft. O
wenn ich etwas auswendig lerne. O
wenn ich jede Gelegenheit, die sich mir bietet, zum Sprechen nutze. O
wenn ich mit russischen Muttersprachlern sprechen kann. O
wenn  

Wie lerne ich es, russische Texte zu schreiben?

Das Schreiben russischer Texte lerne ich am besten, Bitte ankreuzen
wenn ich vorher einen Schreibplan oder eine Gliederung anfertige. O
wenn ich vorher Ideen sammle. O
wenn ich vorher Ideen sammle und diese den entsprechenden Gliederungspunkten zuordne. O
wenn ich nach möglichst einfachen Formulierungen suche. O
wenn ich mich dabei auf ein Wortgeländer stützen kann. O
wenn ich mich dabei auf eine Bilderfolge stützen kann. O
wenn ich mich dabei auf Leitfragen stützen kann. O
wenn ich mich auf Formulierungshilfen stützen kann. O
wenn ich dafür Hilfsmittel (Wörterbuch, Briefführer, thematische Wortschatzsammlungen) benutzen darf. O
wenn ich mir ausreichend Zeit lasse, das Geschriebene sorgfältig durchzulesen. O
wenn ich jede Gelegenheit, die sich mir bietet, zum Schreiben nutze. O
wenn ich Briefwechsel mit russischen Muttersprachlern pflege. O
wenn  

1 Hermes, L.(2000): Überlegungen zur Theorie und Praxis von Lernautonomie, in: Aguado, K.; Hu, A. (Hrsg.): Mehrsprachigkeit und Mehrkulturalität. Dokumentation des 18. Kongresses für Fremdsprachendidaktik der Deutschen Gesellschaft für Fremdsprachenforschung, Dortmund, 4.-6. Oktober 1999. Berlin: Pädagogischer Zeitschriftenverlag, S. 335-341.

2 Groeben, N.; Hofer, M.(1978): Textverständlichkeit als Kompetenz selbstgesteuerten Lernens, in: Siedler, W.; Neber, H.; Wagner, A. C. (Hrsg.): Selbstgesteuertes Lernen. Psychologische und pädagogische Aspekte eines handlungsorientierten Lernens. Weinheim: Beltz, S. 243.

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