Wie heißt es doch, wer eine Reise tut, kann etwas erzählen. Vielleicht auch darüber, welche Probleme man mit der fremden Schrift in dem Land hatte, in dem man sich aufgehalten hatte. Selbst bei einfachsten Aufschriften und Informationen auf Wegweisern, Straßen- und Ladenschildern, auf Tischkarten, Visitenkarten, Eintrittskarten und Plakaten war man auf fremde Hilfe angewiesen, weil die dort üblichen kyrillischen Schriftzeichen einem Rätsel aufgaben. Wer eine Reise in ein fremdes Land tut, ist folglich gut beraten, sich für dessen Sprache und Kultur vor Antritt der Reise zu interessieren. Wenn die Schriftzeichen andere als in der eigenen Muttersprache sind, hilft oft als ein erster Schritt bereits, sich die fremden Schriftzeichen anzueignen. Danach sind meist schon die in der fremden Sprache gebräuchlichen Internationalismen keine unüberwindbare Hürde mehr. Mit etwas Glück kann man sich dann auch einen Reim darauf machen, was die zuvor unverständlichen Aufschriften bedeuten könnten. Die Anstrengungen lohnen sich bei der kyrillischen Schrift mehrfach, da sie gleich in mehreren europäischen Ländern gebräuchlich ist, so in Russland, Weißrussland, in der Ukraine, in Bulgarien, Mazedonien, Montenegro oder Serbien.
Was aber bleibt zu tun, um sich z.B. die russischen Schriftzeichen anzueignen, wenn gerade kein Crashkurs an der Volkshochschule angeboten wird? Im Folgenden einige Tipps, sich die russischen Buchstaben mit Lernkärtchen selbst beizubringen, sie wiederzuerkennen, mit ihrer Hilfe und etwas Übung im Kombinieren einzelne Wörter verstehend zu lesen, sogar die Bedeutung kurzer Informationen zu erraten.
Eine Option ist die Erstellung und Nutzung von Lernkärtchen. Bei der Beschriftung der Kärtchen ist kompetente Hilfe willkommen. Auf die Vorderseite schreibt man jeweils einen der 33 russischen Klein- und Großbuchstaben in Druck- und Schreibschrift, auf die Rückseite dessen lautliche Entsprechungen und deutsche Beispiele mit diesem neuen farbig und fett hervorgehobenen Buchstaben. Wenn man niemand darum bitten kann, findet man in fast jedem Russischbuch eine Übersicht russischer Buchstaben und geeignete deutsche Beispiele, die man in diesem Fall von dort auf die Lernkärtchen übertragen sollte. Hilfreich sind deutsche Beispiele mit einem Buchstaben, der ähnlich so klingt wie der entsprechende russische. Auf der Vorderseite des Lernkärtchens im Format von 8 x 8 cm steht dann z.B. der russische Buchstabe A a oder Б б, auf dessen Rückseite „a wie in Dame“ bzw. „B wie in Bad“. Es empfiehlt sich, außerdem einen Kasten aus Pappe mit fünf etwa gleich tiefen Fächern für die Lernkärtchen vorher zu fertigen, eine Lernkartei.
Die Lernkärtchen mit den zu übenden Buchstaben werden mit der Rückseite nach oben auf den Tisch gelegt. Dann nimmt man Kärtchen für Kärtchen auf, nennt den Buchstabennamen, schreibt den jeweiligen russischen Klein- und Großbuchstaben in Schreibschrift ins Heft und vergleicht das Schriftbild mit dem Buchstaben auf der Vorderseite des Kärtchens. Stimmt die Schreibweise mit diesem überein, wiederholt man den Buchstaben laut vor sich hin sprechend und stellt das Kärtchen in das hinterste Fach der Lernkartei. Bei einem Fehler wird der Buchstabe im Heft korrigiert und das Kärtchen zum häufigeren Üben zunächst in das vordere Fach der Kartei eingeordnet. Das Lernkärtchen „wandert“ nun vom hintersten ins vorderste Fach und wird erneut mit der Rückseite nach oben auf den Tisch gelegt und der russische Klein- und Großbuchstabe notiert.
Bei der Beschriftung der Lernkärtchen können zu den obigen Angaben die Unterschiede in der Aussprache zwischen betonten und unbetonten Vokalbuchstaben sowie harten und weichen Konsonanten hinzugefügt werden. Dann wäre auf der Rückseite zu А а und zu Б б zu ergänzen: betont [a] Dame – unbetont kurzes [a] kann bzw. [b] hart: Bad – [bj] weich Bianca. Hilfestellung hierbei gibt u.a. der Schreibtrainer des Lehrwerks «Jasnо!». Wer Zugriff auf das Internet hat, kann sich darüber hinaus unter den Links www.russlandjournal.de/russisch-lernen/russisches-alphabet oder www.russianforeveryone/RufeA/Lessons/Introduction/Alphabet/Alphabet.htm über Schreibweise und Aussprache der russischen Schriftzeichen informieren.
Noch komfortabler und leichter handhabbar als die oben beschriebenen Kärtchen sind die zum neu bearbeiteten Schreibtrainer von „Jasno“ entwickelten digitalen Lernkärtchen zum Selbstlernen der russischen Buchstaben. Auf ihrer Vorderseite werden jeweils ein Groß- und ein Kleinbuchstabe und auf der Rückseite deutsche Beispiele mit diesen Buchstaben dargeboten, z.B.
Vorderseite: А а Rückseite: А а Vorderseite: Б б Rückseite: Б б
[а:] Bahn – [a] Ball [b] Ballett – [bj) Bianca
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Die digitalen Lernkärtchen können von Benutzern des neu bearbeiteten Schreibtrainers „Jasno!“ über eine Klett-Augmented-App auf ein Smartphone heruntergeladen werden. Die russischen Klein- und Großbuchstaben in Druckschrift sind dort in alphabetischer Reihenfolge angeordnet. Nach Anklicken eines Audiosymbols ist der jeweilige Buchstabenname nicht nur zu sehen, sondern auch zu hören. Bei den digitalen Lernkärtchen entfällt ihre Erstellung und Beschriftung. Ein weiterer Vorzug ist hier, dass sich die Selbstlernenden nicht nur durch Sehen, Lesen und Schreiben, sondern zusätzlich durch Hören Schriftbild und Schreibweise der fremden Schriftzeichen einprägen. Je mehr Zentren unseres Gehirns dabei aktiviert werden, desto größer ist erfahrungsgemäß der Behaltenseffekt, wie Untersuchungen vielfach ergeben haben. Hinzu kommt noch, dass die digitalen Lernkärtchen auf dem Smartphone jederzeit aktiviert werden können und es dadurch ohne größeren Aufwand möglich wird, Schriftbild und Schreibweise der russischen Buchstaben auch auf Reisen und im Urlaub zu trainieren.
Die Handhabung der digitalen Lernkärtchen ist unkompliziert. Nach Anklicken des Symbols wird deren Vorderseite mit dem ersten russischen Buchstaben im Alphabet (A a) in Druckschrift sichtbar. Wählt man nun unten auf der Vorderseite des digitalen Lernkärtchens mit der Maus das Symbol ? an, erscheint die Rückseite. Dort sind die lautlichen Entsprechungen des russischen Buchstabens in eckiger Klammer, die deutschen Beispiele sowie ein Audiosymbol zu finden. Es empfiehlt sich nun, diese Angaben zu lesen, mit ihrer Hilfe den Buchstabennamen zu nennen, diesen mit dem per Mausklick aktivierten Audiosymbols abzugleichen und zu überprüfen, den Klein- und Großbuchstaben in Druckschrift niederzuschreiben, das Ergebnis mit dem Schriftbild auf der Rückseite zu vergleichen, dann die neuen Buchstaben in Schreibschrift zu übertragen und zu überprüfen. Diese Schrittfolge wird bei jedem neuen Buchstaben eingehalten, bei Wiederholungen dann häufiger bei den Buchstaben, die sich nicht sofort eingeprägt haben und deshalb öfter geübt werden müssen.
Das Erlernen fremder Schriftzeichen kann helfen, um sich im Urlaub und auf Reisen etwas besser orientieren zu können und manchen Situationen in Russland und Ländern mit kyrillischen Buchstaben weniger hilflos ausgeliefert zu sein. Möglicherweise weckt die Aneignung der vorher rätselhaften Schriftzeichen darüber hinaus den Wunsch, mehr über die fremde Sprache und ihre Kultur aus erster Hand zu erfahren und vielleicht sogar die Sprache lernen zu wollen.
Dr. Ulf Borgwardt
Tipps, wie man sich kyrillische Schriftzeichen schnell und sicher aneignen kann