Dr. U. Borgwardt (nach RusslandJournal vom 29.04.2021 und Internet-Recherchen, bearbeitete Version)
Wer jemals Peterhof (Петергоф) kennengelernt hat, wird dieses Fleckchen Erde mit seinen gepflegten Parkanlagen, beeindruckenden Fontänen und prachtvollen Palästen immer in guter Erinnerung behalten. Die nur 29 km westlich von St. Petersburg gelegene einstige Sommerresidenz der russischen Zaren ist eines der sieben Wunder Russlands. Sie gehört zu den schönsten barocken Ensembles der Welt. Peterhof wird mit seinen rund 85000 Einwohnern auch als Fontänen-Hauptstadt Russlands bezeichnet. Die Fontänen aus dem 18. Jahrhundert funktionieren ohne eine einzige Pumpe. Dabei werden unterirdische Wasserquellen und das natürliche Gefälle des Geländes so genutzt, dass die Fontänen ununterbrochen mit Wasser versorgt werden können. Die Idee dazu hatten Zar Peter I. und ein Team von Spezialisten. Die Große Kaskade ist ein grandioses Bauwerk. Sie gilt als eines der weltweit spektakulärsten Wasserspiele. Peterhof steht auf der Liste des Weltkulturerbes der UNESCO.
Vor allem im Sommer ist Peterhof ein Touristenmagnet und ein beliebtes Ausflugsziel der Russen. Die Sommersaison dauert in diesem Jahr vom 24. April bis zum 17. Oktober. Die drei Hauptbereiche der Anlage sind der Große Palast (Большой дворец), der Obere Garten (Верхний сад) mit seiner Wasserkaskade und fünf Fontänen und der Untere Park (Нижний парк) mit dem Herz von Peterhof, mit der Großen Kaskade, und mit 144 Fontänen, Schlössern und Museen.
Die Bauarbeiten begannen 1714. Im August 1723 wurde das noch nicht ganz fertig gestellte Peterhof feierlich eröffnet. Nach dem Tod von Peter I. 1725 wurde die Zarenresidenz einige Jahre lang nicht genutzt. Erst 1730 ließ die Zarin Anna Ioanowna die Arbeiten an dem inzwischen heruntergekommenen Bauwerk wieder aufnehmen. Unter Elizabeth I. und Katharina der Großen wurde Peterhof erweitert und weiter ausgebaut.
Im zweiten Weltkrieg wurde Peterhof fast vollständig zerstört und ausgeraubt. Nur ein Teil der Einrichtung konnte gerettet werden. Gleich nach dem Kriegsende begannen die Aufräumarbeiten. Dank der Unterstützung vieler Freiwilliger konnte der Untere Park bereits im Juni 1945 für Spaziergänge geöffnet werden. Doch Jahrzehnte vergingen, bis die Anlage anhand von Fotos und Tapetenresten Stück für Stück wieder hergestellt werden konnte. Von 1945 bis 1992 trug Peterhof den Namen Петродворец.
Der Большой дворец ist das Hauptbauwerk der Zarenresidenz. Er liegt zwischen dem Oberen Garten und dem Unteren Park. 1714 entwarf der französische Architekt Jean Baptiste Le Blond für Peter den Großen ein relativ bescheidenes Schloss. Mehrere namhafte Architekten arbeiteten im Laufe des 18. und 19. Jahrhunderts an der Außen- und Innengestaltung des Palastes. Peters Tochter Zarin Elizabeth I. beauftragte ihren Hofarchitekten Bartolomeo Rastrelli mit dem Umbau des Großen Palasts. Der Umbau dauerte von 1747 bis 1752 und ließ den Palast in seiner heutigen Pracht erstrahlen.
Die vergoldeten, mit Seide verkleideten, aufwendig dekorierten Innenräume des Großen Palastes zeugen vom Reichtum der russischen Zaren. Das einfachste Zimmer des Schlosses ist das mit Holzschnitzereien verkleidete Eichenkabinett von Peter dem Großen. Ausgesprochen prunkvoll dagegen ist der Thronsaal. Den 342 Quadratmeter großen, sehr hellen Saal schmücken weiße Stuckdekorationen, rote Samtvorhänge und Portraits der Zarenfamilie. Zur Zeit der Zaren war der Große Palast im Sommer das Zentrum des Hoflebens. Heute kann dieses einzigartige Bauwerk im Rahmen einer Führung besichtigt werden.
Im Weißen Saal des Großen Palastes finden zu Silvester, zum russischen Weihnachtsfest und zu anderen wichtigen Feiertagen Theatervorstellungen, Bälle und Konzerte klassischer Musik statt.
Die zur Ostsee gewandte Hauptfassade des Großen Palastes ist ca. 270 Meter lang. Links und rechts des dreistöckigen Mittelteils erstrecken sich einstöckige Galerien. Am östlichen Ende befindet sich die Palastkirche. Die 1751 erbaute Kirche wurde umfassend restauriert und zum 260. Jubiläum im Jahr 2011 feierlich eröffnet.
Den Pavillon des Großen Palastes am westlichen Ende ziert das russische Wappen mit dem Doppeladler. Im Pavillon “Unter dem Wappen” befindet sich das Museum “Besonderer Lagerraum” mit einer einzigartigen Kollektion von Juwelen und diversen Kostbarkeiten russischer Zaren. In diesem Flügel begannen früher die meisten feierlichen Zeremonien wie Hochzeiten oder Taufen. Neben filigranen Meisterwerken der Firma Fabergé werden hier Schuhe, Kleidung, Uhren, Notizblöcke sowie viele andere persönliche Gegenstände der Zaren ausgestellt.
DerВерхнийсад mit einer Größe von 15 Hektar befindet sich an der Südseite des Palastes. Dort ließ der praktisch denkende Zar Peter I. zunächst einen Gemüsegarten und drei Teiche zur Fischzucht anlegen. Erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entstand hier ein perfekt geometrisch gegliederter Barockgarten nach französischem Vorbild. Außerdem sind dort eine kleine Apollo-Kaskade und fünf Fontänen zu bewundern. Neptun ist die zentrale Fontäne des Oberen Gartens und eines der Symbole für die Seemacht Russlands. 2020 wurde der Obere Garten wegen einer umfassenden Restaurierung für voraussichtlich drei Jahre geschlossen.
Allein schon der Нижнийпаркmit einer Vielzahl von kunstvollen Wasserspielen lohnt die Reise nach Peterhof. Gestaltet wurde er im Barockstil nach dem Vorbild von Versailles. Typisch dafür sind symmetrisch angelegte Alleen, zu geometrischen Figuren geschnittene Bäume und Hecken, in Ornamenten gepflanzte Rasen und Blumen, elegante Pavillons und zahlreiche Skulpturen. Anhand von Skizzen des Zaren Peters des Großen entwickelte der Architekt Johann Braunstein den Generalplan der Residenz. Der über 100 Hektar große Untere Park ist in drei Hauptbereiche gegliedert, in das Zentrum mit der Großen Kaskade sowie in den westlichen und den östlichen Teil. Jeder dieser Bereiche besteht wiederum aus diversen architektonischen Kompositionen.
Den Mittelpunkt der Anlage bildet der auf einem 16 Meter hohen Hügel errichtete Große Palast. Der schnurgerade 400 Meter lange Meereskanal verbindet den Palast mit dem Finnischen Meerbusen und trennt den Unteren Park in einen östlichen und westlichen Teil. Die symmetrisch rechts und links der Großen Kaskade angelegten Alleen führen zum Pavillon Eremitage im Westen und zum Schlösschen Monplaisir im Osten, beide gleich weit vom Zentrum entfernt. Alle Hauptalleen des Unteren Parks führen entweder zum Meer oder enden mit einer Fontäne.
Das Hauptbauwerk des Unteren Parks ist die Große Kaskade mit ihren 138 Wasserstrahlen und der Samson-Fontäne in der Mitte. Es hat über 100 Jahre gedauert, die Kaskade in ihrer heute bekannten Form zu schaffen. Die Grundidee für die Komposition stammt von Peter I. Das Zentrum der Großen Kaskade bildet die Untere (Große) Grotte. Siebenstufige Wasser-Kaskaden an beiden Seiten sind dort reich mit vergoldeten Skulpturen, Vasen und Reliefen dekoriert. Darüber befindet sich die Obere (Kleine) Grotte. Beide Grotten sind im Inneren schön mit Tuffstein, Marmor und vergoldeten Skulpturen ausgeschmückt und können besichtigt werden. In der Unteren Grotte befindet sich außerdem eine Scherz-Fontäne. Die Samson-Fontäne symbolisiert den Sieg von Russland über Schweden in der Schlacht bei Poltawa. Der aus Bronze gegossene Samson sitzt auf einem Sockel aus Granitplatten. Den Sockel schmücken acht Delfine und vier nach den Himmelsrichtungen ausgerichtete Löwenköpfe. Die Skulptur zeigt wie Samson (Russland) dem bezwungenen Löwen das Maul aufreißt. Aus dem Maul schießt eine über 20 Meter hohe Fontäne.
Samstags und sonntags von Mai bis September geben verschiedene Orchester Konzerte im Unteren Park vor der Schachbrett-Kaskade, im Garten beim Schloss Monplaisir und bei der Löwen-Kaskade.
Die Kaskaden und Fontänen sind nur während der Sommerzeit in Betrieb. Zum Museums-Komplex Peterhof gehören vier Parkanlagen und 23 Museen. In der Wintersaison bleiben viele Museen ganz oder teilweise geschlossen.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, um Peterhof von St. Petersburg aus zu erreichen. Mit den “Meteor” Schiffen oder mit dem Linientaxi dauert die Fahrt ca. 30 Minuten. Vom Baltischen Bahnhof aus fährt ein Elektrozug bis zur Haltestelle Neuer Peterhof etwa 40 Minuten. Von dort braucht man noch ungefähr 10 Minuten mit dem Linienbus.
Wer bisher geglaubte hat, die Zeiten für die Erschaffung eines russischen Wunders wie das der einstigen Sommerresidenz unweit von St. Petersburg, seien heute lange Geschichte, wurde erst kürzlich eines Besseren belehrt, als Meldungen um die Welt gingen, dass am Kap Idokopas nach Entwürfen des itakienisch-russischen Architekten Lanfranco Cirillo seit 2005 auf 17.700 m² ein Palast für Russlands Präsidenten Wladimir Putin mit weiträumigen Außenanlagen von ca. 68 ha. entstanden sein soll. Wie kolportiert wird, gehören zu dem Anwesen u.a. ein Arboretum mit Gewächshäusern, zwei Hubschrauberlandeplätze, eine Kunsteisarena, eine Kapelle, ein Amphitheater, ein Gästehaus, Wohnhäuser für die Bediensteten, eine Tankstelle, eine 80 m lange Brücke und mehrere unterirdische Anlagen, Am Schwarzen Meer wurde ein Weingut errichtet. Während Peterhof heute ein beliebter Touristenmagnet für Tausende Besucher ist, ist der Palast für Putin nur für Auserwählte des russischen Präsidenten zugänglich.