Zu Rahmenbedingungen des frühen Fremdsprachenlernens an deutschen Grundschulen
„Effekt gleich null“ titelte kürzlich ein Spiegelartikel (Der Spiegel, 4/09, S.43), in dem der Englischunterricht in deutschen Grundschulen unter die Lupe genommen werden sollte. Mit Hilfe bislang unveröffentlichter Untersuchungen der Katholischen Universität Eichstätt aus dem Sommer 2008 sollte gezeigt werden, dass nach einem Jahr Englischunterricht in der fünften Klasse kein signifikanter Leistungsunterschied mehr zwischen Schülern mit oder ohne Vorkenntnisse auszumachen sei. So verwundert es nicht, dass, so ein Ergebnis der Untersuchungen, die überwiegende Anzahl der Fachlehrer an den weiterführenden Schulen den frühbeginnenden Fremdsprachenunterricht als überflüssig betrachten. Da beim Übergang aus der Grundschule kein einheitlicher Kenntnisstand vorausgesetzt werden könne, sei frühes Fremdsprachenlernens zudem eher hinderlich in Bezug auf die eigene Arbeit.
Hauptschuld sollen, so Horst Bartnitzky, Vorsitzender des deutschen Grundschulverbandes, die Bildungspolitiker tragen, die „weder die Weiterbildung der Grundschullehrer noch den Übergang in die Sekundarstufe […] ausreichend geplant“ (ebd. S.43) hätten. Kernaussage des Spiegelartikels ist die für die deutsche Medienlandschaft typische, pauschalisierende Medienschelte auf Bildungspolitik und Pädagogen, wobei unklar bleibt, ob in diesem Artikel tatsächlich „Defizite in der fremdsprachlichen Erziehung“ (ebd. S.43) gemeint sind oder ob auf der Systemebene zu verantwortende Unstimmigkeiten (gesetzliche Bestimmungen und/oder nationale oder länderspezifische Empfehlungen oder Direktiven, die Zuweisung von Finanzmitteln, organisatorische Regelungen usw.) im Zusammenhang mit dem so genannten frühen Fremdsprachenlernen thematisiert werden sollten. In wieweit diese Kritik berechtigt ist, soll der folgende Beitrag zeigen, der sich nach einem kurzen Rückblick besonders den aktuellen Rahmenbedingungen des frühen Fremdsprachenlernens über einzelne Bundesländer hinweg widmen will, da sich verlässliche Aussagen über die Qualität des Fremdsprachenunterrichts (im übrigen nicht nur) in der Primarstufe, darin sind sich die Experten europaweit einig (vgl. (Edelenbos / Kubanek 2007), nur vor dem Hintergrund vergleichbarer Rahmenbedingungen machen lassen.
Die heftigen Auseinandersetzungen um den frühen Fremdsprachenerwerb der letzten beiden Jahrzehnte, bei denen es einerseits um die Frage ging, ob fremdsprachliche Lernangebote überhaupt mit den Lernvoraussetzungen und -bedürfnissen der Grundschulkinder vereinbar sind und andererseits darum, ob ein am Spracherwerb (Sauer 1993: 92) oder ein an pädagogisch-interkulturellen Zielen ausgerichteter Unterricht (Pelz 1991: 92) zu erteilen sei, haben inzwischen u. a. auf Grund der allseits bekannten politischen und wirtschaftlichen Veränderungen in Europa und nicht zuletzt durch entsprechende programmatische Schriften (Maastrichter und Amsterdamer Verträge, 1992 / 1997) ein jähes Ende gefunden. Die Einforderung der europäischen Dimension im Bildungswesen ließ der Verbreitung der Sprachen der Mitgliedsländer eine besondere Bedeutung zukommen. Inzwischen haben sich alle Bundesländer für die Einrichtung fremdsprachlicher Lernangebote in den Grundschulen entschieden, wenngleich das Englische dominiert.
Vielleicht gerade weil man in Deutschland auf eine Fülle von Schulversuchen zum Fremdsprachenfrühbeginn zurückblicken kann, die zum Teil aus den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts stammen und in verschiedenen Ländern der BRD durchgeführt und seit den neunziger Jahren auf breiter, teilweise sogar wissenschaftlich begleiteter Basis erprobt wurden (vgl. Christ 2003), findet man heute je nach Bundesland unterschiedliche Konzeptionen für den Fremdsprachenunterricht in der Grundschule. Nimmt man Entscheidungen zum Beginn ab erster oder dritter Klasse, die nach wie vor nur rudimentär erfolgte Umgestaltung des bisherigen Sprachunterrichts an weiterführenden Schulen sowie das weitgehende Fehlen einer konsistenten Gesamtsprachenkonzeption (vgl. Gompf 2002) hinzu, so erhält man ein weitaus vielgestaltigeres Bild als es der deutsche Bildungs- föderalismus normalerweise vermuten lässt .
Wie sehen bundesweit die Rahmenbedingungen für den Fremdsprachenunterricht in den Grundschulen aus?
Erwartet man, dass eine jahrzehntelange Erprobung in Schulversuchen zu einem konsistenten Modell geführt hat, so fällt die Analyse ernüchternd aus. Einzig die flächendeckende Einführung von mindestens 2 Wochenstunden im dritten und vierten Schuljahr haben alle Bundesländer gemeinsam. Weder zur Breite des Sprachenangebots, zum Beginn des Fremdsprachenlernens, zur Anzahl der Unterrichtstunden, zur Bewertung oder zur Regelung des Übergangs in die Sekundarstufe noch zur nahe liegenden Vorverlegung der 2. Fremdsprache sind bundesweit einheitliche Regelungen auszumachen. Die folgenden Ausführungen bilden den Status quo ab, der sich aus den kommentierten Synopsen von Gompf (vgl. Gompf 2005: 07: 09) ableiten lässt. Dabei müssen neueste, wenn auch begrüßenswerte Entwicklungen unberücksichtigt bleiben.
Im Einzelnen:
Verbreitung
Mit dem Schuljahr 2006/2007 findet nunmehr in allen Grundschulen aller 16 Bundesländer Fremdsprachenunterricht mit mindestens 2 Wochenstunden im dritten und vierten Schuljahr flächendeckend statt. Im Schuljahr 2005/2006 war Mecklenburg-Vorpommern als einziges Bundesland mit einer Wochenstunde verblieben.
Breite des Sprachenangebots
Die Anzahl der Bundesländer, die neben Englisch andere Sprachen anbieten, hat sich drastisch reduziert. So wurde beispielsweise in Bayern im Schuljahr 2001/2002 noch wahlweise Französisch ab Klasse 3, in Nordrhein- Westfalen sogar noch weitere Fremdsprachen angeboten. Baden- Württemberg, Berlin, Hessen, Rheinland- Pfalz, und Thüringen bieten neben Englisch auch Französisch an.
Das Saarland bietet ausschließlich Französisch an. In einigen Bundesländern werden Sprachen der Nachbarländer, Sprachen von Minderheiten oder auch Sprachen von ausländischen Mitbürgern angeboten. So haben Schüler in Brandenburg neben Englisch und Französisch, auch die Möglichkeit die Minderheitensprache Sorbisch oder auch Polnisch zu lernen. In Hessen gibt es Grundschulen, an denen Italienisch unterrichtet wird. In Schleswig- Holstein wird an zahlreichen Grundschulen in Arbeitsgemeinschaften Dänisch, Friesisch und Niederdeutsch angeboten. An einigen Schulen in Sachsen gibt es Französisch, Tschechisch oder Polnisch zusätzlich zum Pflichtunterricht Englisch. Im Bundesland Thüringen kann zwischen den Sprachen Englisch, Französisch, Russisch oder Italienisch als Pflichtunterricht gewählt werden.
Beginn
Auch hinsichtlich des Beginns des Fremdsprachenlernens gibt es Unterschiede in den einzelnen Bundesländern. In vier Bundesländern wurde der Fremdsprachenunterricht ab Klasse 1 flächendeckend für alle Schüler eingeführt. In den Ländern Baden- Württemberg und Brandenburg wurde dies schon im Schuljahr 2003/2004 durchgesetzt. Später folgten Rheinland- Pfalz und Nordrhein-Westfalen.
In Berlin werden Fremdsprachen an Europaschulen ebenfalls ab der ersten Klasse unterrichtet. In einigen Bundesländern finden Schulversuche zur Erprobung des Fremdsprachenunterrichts ab Klasse 1 statt. (Hamburg, Saarland, Thüringen und Niedersachsen) Darüber hinaus gibt es regional in einigen Bundesländern Grundschulen, die den Fremdsprachenunterricht außerhalb von Schulversuchen ab der ersten Klasse anbieten. (Hessen, Niedersachsen, Sachsen und Sachsen- Anhalt)
Anzahl der Stunden
In allen Bundesländern werden aktuell für den Fremdsprachenunterricht ab Klasse 3 mindestens zwei Unterrichtsstunden pro Woche zur Verfügung gestellt. In Bundesländern, in denen ab Klasse 1 begonnen wird, steht mindestens eine Unterrichtsstunde zur Verfügung, wobei in zusätzliche Unterrichtsstunden ( 2 Unterrichtsstunden in Baden-Württemberg und Nordrhein – Westfalen), 45 Minuten (Brandenburg) und 50 Minuten integrativen Unterrichts (Rheinland-Pfalz) unterschieden werden muss.
Bewertung
In den Bundesländern, in denen man in den ersten beiden Jahrgangsstufen eine Fremdsprache unterrichtet, ist man sich einig darüber, dass in diesen Jahrgangsstufen die Fremdsprache nicht benotet wird. Die Teilnahme wird jedoch im Zeugnis vermerkt. Über die Notenvergabe ab der dritten Klasse herrscht große Uneinigkeit zwischen den Ländern. In z. B. Baden- Württemberg, Brandenburg, Hamburg, Hessen, Mecklenburg- Vorpommern und Nordrhein- Westfalen wird die Fremdsprache mit Ziffernnoten bewertet. In z. B. Berlin, Niedersachsen, Sachsen- Anhalt und Sachsen werden die Leistungen in der Fremdsprache erst ab der vierten Klasse bewertet. Die Bundesländer Bayern, Rheinland- Pfalz, Thüringen und Saarland haben festgelegt, dass die Fremdsprache in der Grundschule nicht mit Ziffernnoten bewertet wird, sondern dass es auf dem Zeugnis nur einen verbalen Kommentar gibt. In Rheinland- Pfalz und Sachsen wurde außerdem ein Sprachenportfolio entwickelt, in dem die Schüler selbst ihre Leistungsfortschritte dokumentieren können.
Übergang in die Sekundarstufe
Den Grundschullehrkräften stehen je nach Bundesland sowie je nach Modell und Verbreitung unterschiedliche Dokumente zur Verfügung, – angefangen von schulinternen Handreichungen (z.B. Hamburg, Hessen Niedersachsen) oder Richtlinien (z.B. Saarland) über Handreichungen (z.B. Thüringen) bis hin zu Rahmenlehrplänen (z.B. Brandenburg, Rheinland-Pfalz) oder gar Lehrplänen (z.B. Sachsen, Nordrhein-Westfalen)
Für die weiterführenden Schulen gilt im Allgemeinen, dass diese auf den frühbeginnenden Fremdsprachenunterricht reagieren müssen, in dem sie auf die Kenntnisse und Fertigkeiten der Schüler aufbauen. Auf die Gefahr, dass die oft vage orientierten Lehrkräfte der weiterführenden Schulen mit ihrem Unterricht nicht adäquat reagieren, wird derzeit jedoch wenig Rücksicht genommen.
Sowohl Baden-Württemberg, als auch die Länder Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und
Rheinland-Pfalz hatten für ihre Schulversuche zunächst Lehrplan-Konzepte bereit gestellt und in eine Erprobungsphase gegeben. Nach gründlicher Überarbeitung setzten diese vier Bundesländer ihre verbindlichen Rahmenlehrpläne/Lehrpläne für Fremdsprachen für die Jahrgangsstufe 1 landesweit verbindlich in Kraft.
Unter den o. g. vier Bundesländern nimmt das Land Brandenburg eine Vorreiterrolle ein, weil
es das einzige Land ist, das seinen Lehrkräften seit dem 1. August 2008 mit dem „Rahmenlehrplan für moderne Fremdsprachen – Jahrgangsstufen 1 – 10“ einen alle zehn Schuljahre umfassenden Rahmenlehrplan an die Hand gibt, eine Grundvorrausetzung sowohl für einen erfolgreichen Übergang der Grundschüler in die weiterführenden Schulen als auch für eine Kooperation der Lehrkräfte an Grund- und weiterführenden Schulen.
Vorverlegung der 2. Fremdsprache
In vielen Bundesländern wurde beschlossen, die zweite Fremdsprache, insbesondere an Gymnasien, auf die sechste (oder auch fünfte) Klasse vorzuverlegen. Dazu gehören Bayern,
Baden- Württemberg, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Saarland, Sachsen und Sachsen- Anhalt. So kann das Erlernen einer dritten Fremdsprache ab Klasse 8 oder 7, z.B. als Wahl-pflichtunterricht, erfolgen. In Brandenburg, Berlin und Hamburg wurden übergreifende Gesamtcurricula für die Klassen 1-10, 3-10 bzw. 3- 8 entwickelt.
Zur Veranschaulichung und für eine zusammenfassende Anlayse sind im Folgenden zwei Übersichten zusammengestellt worden. Die Tabelle 1 erfasst die Bundesländer, in denen der frühbeginnenden Fremdsprachenunterricht flächendeckend in Klasse 1 beginnt. Es wurden das Fremdsprachenangebot, die zu Grunde liegenden Unterrichtskonzepte, die bereit gestellten Unterrichtsstunden, der Bewertungsmodus sowie die curricularen Vorgaben erfasst. Tabelle 2 erfasst eine Auswahl von Bundesländern, die den frühbeginnenden Fremdsprachenunterricht flächendeckend ab Klasse 3 anbieten. Die Auswahl gründet sich auf die Bundesländer in mittelbarer bzw. unmittelbarer Nachbarschaft zu Mecklenburg-Vorpommern und bezieht zudem bis auf Brandenburg ( s. Tabelle 1) die neuen Bundesländern mit ein.
Tabelle1
Bundesländer mit frühbeginnenden Fremdsprachenunterricht ab Klasse 1
Land | Sprachen | Unterrichts- konzept | Unterrichtsstunden | Bewertung in Noten | Vorgaben | ||
Kl. 1 / 2 | Kl. 3 / 4 | Kl. 1 / 2 | Kl. 3 / 4 | ||||
B | E/F/PL/R/SOR | progressions-orientiert integrativ 1./2. Kl. | 1/1 | 3/3 | Teilnahme- vermerk Portfolio | ab Kl.3 Portfolio | RPL (1-10) |
B-W | E/F | progressions-orientiert | 2/2 | 2/2 | Teilnahme- vermerk | ab Kl.3 | LP |
RP | E/F | integrativ | 50 Minuten | 50 Minuten | Teilnahme- vermerk Portfolio | Teilnahme- vermerk Portfolio | RLP |
NRW | E | progressions-orientiert | 2/2 | 2/2 | Teilnahme- vermerk | ab Kl.3 | LP |
Zeichenerklärung:
B= | Brandenburg | E = Englisch | LP = Lehrplan |
B-W= | Baden-Württemberg | F = Französisch | RPL = Rahmenlehrplan |
RP= | Rheinland-Pfalz | PL= Polnisch | |
NRW= | Nordrhein-Westfalen | R = Russisch | |
SOR= Sorbisch |
Der Blick auf die Übersicht zum frühbeginnenden Fremdsprachenunterricht ab Klasse 1 lässt deutlich werden, dass vergleichbare Rahmenbedingungen für Grundschüler hinsichtlich des Unterrichtskonzeptes sowie der Unterrichtsstunden nicht gegeben sind. Nimmt man den frühbeginnenden Fremdsprachenunterricht ab Klasse 3 und die Breite des Fremdsprachenangebots hinzu, wird klar, dass von vergleichbaren Rahmenbedingungen für alle Grundschüler in ganz Deutschland erst recht keine Rede sein kann. Insofern lassen sich auch keine verlässlichen, verallgemeinernden Aussagen zur Qualität des frühbeginnenden Fremdsprachenunterrichts im Bundesgebiet machen.
Tabelle 2
Einige Bundesländer mit frühbeginnenden Fremdsprachenunterricht ab Klasse 3
Land | Sprachen | Unterrichtsstunden | Bewertung in Noten | Vorgaben | ||
Kl. 3 | Kl. 4 | Kl. 3 | Kl. 4 | |||
MV | E | 3 | 3 | ja | ja | RPL |
SH | E | 3 | 3 | ja | nein | RPL |
NI | E | 2 | 2 | nein | ja | LP+KC |
HH | E | 2 | 2 | ja | ja | RPL 3-6 |
BE | E / F | 2 | 3 | nein | ja | RPL 3-10 |
SA | 2 | 2 | nein | ja | LP | |
TH | E / F / R / I | 2 | 2 | nein | nein | LP |
SN | 2 | 2 | ja | ja | LP |
Zeichenerklärung:
MV= | Mecklenburg-Vorpommern | E = Englisch | LP = Lehrplan |
SH= | Schleswig Holstein | F = Französisch | RPL = Rahmenlehrplan |
NI= | Niedersachsen | I = Italienisch | KC =Kerncurriculum |
HH= | Hansestadt Hamburg | R = Russisch | |
BE= | Berlin | ||
SA= | Sachsen-Anhalt | ||
TH= | Freistaat Thüringen | ||
SN= | Freistaat Sachsen |
Dies lässt schon eine rein quantitative Untersuchung, die die bereit gestellten Unterrichtsstunden listet, deutlich werden. So stehen z. B. 8 Wochenstunden von Klasse 1 bis 4 in Baden-Württemberg lediglich 4 Wochenstunden von Klasse 3 bis 4 in Niedersachsen oder Hamburg gegenüber. Vergleicht man die Unterrichtskonzepte, so konkurrieren noch immer integrative und progressionsorientierte Unterrichtsmodelle zumindest in den Klassen 1 und 2 miteinander. In den Bundesländern, in denen ab Klasse 3 mit dem Fremdsprachenunterricht begonnen wird, scheint sich der progressionsorientierte Fremdsprachenunterricht durchzusetzen, wie aus den curricularen Vorgaben, die hier nicht im Einzelnen dargestellt werden können, hervorgeht.
Dass man für eine nahtlose Weiterentwicklung der in der Grundschule erworbenen Sprachkenntnisse ein curriculares Gesamtkonzept benötigt, das auch eine intensive Schulung der Fremdsprachenlehrkräfte der Sekundarstufe erfordert, ist bislang in nur wenigen Bundesländern erfasst bzw. umgesetzt worden. (Brandenburg, Berlin und Hamburg)
Eine notwendige Voraussetzung für die Anschlussfähigkeit der in den Jahrgangsstufen 1 bis 4 bzw. 3 bis 4 erworbenen fremdsprachlichen Fertigkeiten ist unumstritten ein verbindliches Abschlussprofil für das Ende der Jahrgangsstufe 4. Dem allgemeinen Trend folgend, richten sich einige Bundesländer in ihren curricularen Vorgaben am Kompetenzmodell des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens aus und orientieren sich an der Niveaustufe A1. In wieweit dies realistisch ist, bleibt abzuwarten. Kurioserweise ist der Übergang in die Sekundarstufen auch nicht in den Bundesländern bedacht, die formal kompetenzorientierte curriculare Vorgaben und somit verbindliche Abschlussprofile vorhalten, wie z. B. in Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen.
Fazit:
Deutschland leistet sich auf der Systemebene eine extreme Variabilität, was in europäischen Studien zur europäischen Sprachenlandschaft als Grund für eine Vielzahl von Problemen angesehen wird. (vgl. (Edelenbos / Kubanek 2007) Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass je nach politischem Willen und / oder Finanzlage Lehrgänge installiert worden sind, die man bezogen auf ihre Implementierung zumindest mit halbherzig charakterisieren muss. Dabei läge eine geradezu unüberschaubare Fülle von Erfahrungen oder Studienergebnissen aus Schul- oder Modellversuchenin den hiesigen föderalen Strukturen vor. Aushilfsweise hätte man auch die ca. 100 Studien zu Rate ziehen können, die auf europäischer Ebene in Auftrag gegeben worden sind.
Bildungsgerechtigkeit? Sicher nicht, wenn man allein die Rahmenbedingungen zwischen Kreidefelsen und Schwarzwald ins Auge fasst. Der Verweis auf die breite Variabilität in Europa tröstet da wenig.
Betrachtet man jedoch die jahrzehntelangen Querelen um die nunmehr erfolgte bundesweit flächendeckende Einführung des frühbeginnenden Fremdsprachenunterrichts ab Klasse 3 mit mindestens 2 Unterrichtsstunden vor dem Hintergrund des in diesem Zusammenhang relativ zügigen Übergangs zum Frühbeginn ab Klasse 1 in immerhin 4 Bundesländern, so scheint eine optimistische Prognose angebracht, wenn man die derzeit in weiteren Bundesländern (z. B. Berlin, Hessen, Sachsen und Sachsen-Anhalt) laufenden Schulversuche wohlwollend als echtes Bemühen zur Etablierung des Frühbeginns ab Klasse 1 annimmt.
Ein bundesweit einheitliches Konzept zum Frühbeginn lässt sich trotz gewisser Trends zum progessionsorientierten Unterricht mit verbindlichen Abschlussprofilen nur mit Mühe ausmachen. Zu unterschiedlich sind einerseits die gesetzten Rahmenbedingungen und andererseits die didaktischen Konzepte, was nicht zuletzt in den unterschiedlichen Auffassungen zur Leistungsfeststellung deutlich wird.
Eine bundesweite Evaluation auf der Grundlage einheitlicher Standards ist schon deshalb nicht möglich, weil es offensichtlich keine einheitliche Auffassung zu Qualitätsmerkmalen gibt. Somit ist es geradezu absurd, pauschalisierende Aussagen zur Qualität des Fremdsprachenfrühbeginns machen zu wollen.
Sicher sind in jedem Bundesland mit großem finanziellen und personellen Aufwand sowohl mit Blick auf die Erhöhung der Wochenstundenzahl, ob aus Zugzwang oder aus Überzeugung sei dahingestellt, als auch im Bereich der fachlichen sowie didaktisch- methodischen Qualifizierung der Lehrkräfte große Anstrengungen unternommen worden. Ob die Qualifizierungsmaßnahmen für Grundschullehrer den jeweiligen Anforderungen überhaupt gerecht werden, bedürfte einer gesonderten Betrachtung der wiederum vielfältigen Modelle.
Will man dessen ungeachtet die Frage nach der Qualität des frühbeginnenden Fremdsprachenunterrichts ernsthaft stellen, so muss man untersuchen, wie Qualität erreicht, erhalten und verbessert werden kann. Qualität entsteht bekanntlich aus dem Zusammenspiel von positiven äußeren Rahmenbedingungen, wozu auch die Lehrerausbildung gehört, dem Unterricht und der Einsicht in die hier sprachlichen Lernprozesse von Kindern. (vgl. (Edelenbos / Kubanek 2007)
Offenkundig ist zudem, dass effiziente Lernwege ohne die Einbeziehung der Lehrkräfte der weiterführenden Schulen nicht zu gestalten sind.
Schon allein der gesamtdeutsch hohe finanzielle Aufwand sollte auffordern, ein konsistentes Gesamtkonzept zum Fremdsprachenlernen über Schulstufengrenzen und möglichst über Ländergrenzen hinweg zu entwickeln, damit der Fremdsprachenfrühbeginn nicht nur bei den Fachlehrern der weiterführenden Schulen sondern auch in Bildungsbiographien unserer Kinder Akzeptanz findet.
Zeit zum Zurücklehnen wird man in den Bildungsadministrationen ohnehin nicht finden, da sicher bereits bekannt wurde, dass in 5 EU-Staaten mittlerweile 2 Fremdsprachen in der Grundschule zur Pflicht geworden sind.
Andreas Plath
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