Vorwort
So lange es Schule gibt, so lange wird darüber diskutiert, mit welchen Konzepten, Methoden und Inhalten die Lernenden die Lernziele erreichen könnten – und das ist gut so. Sowohl das Rekurrieren auf das bislang Bewährte als auch die Kumulation und Addition der jüngst empirisch gewonnenen Forschungsdaten verändern den Fremdsprachenunterricht (FU) unaufhaltsam. So ist auch der kompetenzorientierte FU eine Weiterentwicklung der bislang gültigen Prinzipien einer kommunikationsorientierten, aufgabenorientierten, schülerorientierten und kooperativen Unterrichtsführung in Ergänzung durch die Ergebnisse aus der modernen Fremdsprachenforschung. Kompetenzorientiertes Unterrichten basiert auf der Verbindung von Wissen und Können und fokussiert die Befähigung zur individuellen Bewältigung lebensweltlich realer Situationen. Die Kompetenzorientierung steht somit für den Anspruch, dass die Ergebnisse schulischen Lernens handlungsrelevant, praktisch anwendbar sowie persönlich und gesellschaftlich bedeutsam sind. Die erstrebenswerten Kompetenzen kann man nicht unterrichten – sie müssen von den Lernenden erworben werden. Lehrkräften können sehr wohl „kompetenzorientiert unterrichten“ aber sie können keine „Kompetenzen unterrichten“!
Rückschau
Die Bildungslandschaft hat sich in Deutschland in Folge von diversen nationalen/internationalen Schulleistungsstudien und anderen „bildungspolitischen Großereignissen“ erheblich verändert. z.B. durch
- die KMK (Kultusministerkonferenz). Sie beschloss 1997, die Erträge des deutschen Schulsystems im Rahmen wissenschaftlicher Untersuchungen international vergleichen zu lassen.
- die DESI-Studie (Deutsch Englisch Schülerleistungen International). Sie wurde im Jahr 2001 von der Kultusministerkonferenz als erste große deutsche Schulleistungsstudie in den Fächern Deutsch und Englisch in Auftrag gegeben.
- die PISA-Studien(Programme for International Student Assessment/Programm zur internationalen Schülerbewertung). Sie werden seit 2000 durch die OECD als internationale Schulleistungsuntersuchungen in dreijährlichem Turnus durchgeführt.
- die IGLU-Studie/IGLU-E (Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung) bzw.
PIRLS (Progress in International Reading Literacy Study). Sie untersucht 2001/2006/ 2011 das Leseverständnis von Schülern der vierten Jahrgangsstufe auf einer internationalen Vergleichsbasis.
- die TIMSS-Studie (Trends in International Mathematics and Science Study). Sie erfasst das mathematische und naturwissenschaftliche Grundverständnis von Schülern am Ende der 4. Jahrgangsstufe in einem vierjährigen Rhythmus (2007, 2011, 2015).
- die VERA-Vergleichsarbeiten in der 3., 6. und 8. Jahrgangsstufe in Deutsch und/oder Mathematik. 2015 wurde die Gesamtstrategie der KMK zum Bildungsmonitoring zur Stärkung der Kompetenzorientierung im Bildungssystem bekannt.
- den IQB-Ländervergleich (Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen), der 2009 im Auftrag der KMK in Deutsch und Englisch durchgeführt wurde.
- die bahnbrechenden Erkenntnisse von Hans-Eberhard Piepho, der bereits 1974 die kommunikative Wende in Deutschland eingeleitet und den FU in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entscheidend prägte (“Kommunikativen Kompetenz als übergeordnetes Lernziel im Englischunterricht”).
- den GER (Gemeinsamer Europäischer Referenzrahmen für Sprachen, 1991), der die Kriterien zur Beurteilung von Fortschritten in den Lernerfolgen in einer Fremdsprache progressiv hierarchisch formulierte.
- die Hattie-Studie, eine Meta-Analyse über Meta-Analysen zu den Indikatoren einer guten Schülerleistung und deren Hierarchisierung, 2009.
- die EMU-Studie von Andreas Helmke (evidenzbasierte Methoden der Unterrichtsdiagnostik und Unterrichtsentwicklung), eine auf empirischen Forschungsergebnissen fundierte Analyse zur Verbesserung des Unterrichts, 2003).
- die EPA (einheitliche Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung, vorgelegt vom IQB 2015).
Selbstverständlich können hier nicht alle am Bildungskonzert beteiligten Instrumente genannt werden. Alle Untersuchungen fokussieren jedoch die Entwicklungen der Lernenden in deren Kompetenzausprägungen.
In der Unterrichtspraxis haben sich bereits klare Prinzipien des kompetenzorientierten Unterrichtens etabliert, von welchen im Folgenden einige exemplarisch beschrieben werden.
1 Das Prinzip der Output-Orientierung
Der kompetenzorientierte Unterricht fokussiert vornehmlich den Unterrichtsertrag.
Den SchülerInnen wird zu Beginn einer Lektion/Unit/Unterrichtseinheit konkret demonstriert, was sie an deren Ende können werden. Sie erkennen also den kommunikativen Zweck der anstehenden Lernbemühungen bereits zu Anfang einer Lernaufgabe (Lernzieltransparenz). Die Output-Orientierung bezieht sich dabei auf das beobachtbare Können, das Wissen, Fertigkeiten, Fähigkeiten und Einstellungen. Sie umfasst sowohl das deklarative als auch das performative Wissen, also die Kompetenz und die Performanz.
Ein Beispiel: Die Lernenden sollen befähigt werden, einen sog. „For and Against Letter“ zum Thema “Online shopping is a good and useful invention. To what extent do you agree with this statement?”zu verfassen. Im kompetenzorientierten Unterricht werden alle dazu erforderlichen Teilkompetenzen erarbeitet, die nötig sind, um seine persönliche Meinung zum angesprochenen Problem einzubringen (affektive Betroffenheit): Spontaner Meinungsaustausch im Plenum (Abruf des latent vorhandenen Wissens zum Thema), Möglichkeiten der Informationsbeschaffung, Analyse von Mustertexten, Strategien zur Erstellung (process writing), Sammeln der sprachlichen Mittel und der generischen Merkmale dieser Textsorte, Evaluierung der Entwürfe (first draft), etc. Am Ende steht die Fähigkeit der Lernenden, einen For And Against Letter selbst zu erstellen, der abschließend im sog. Feedbackverfahren (peer feedback) zusammen mit einer qualitativen Rückschau auf das gesamte Unterrichtsprozedere evaluiert wird.
2 Das Prinzip des Lernens am sprachlichen Modell
Modelltexte (mündlich oder schriftlich) müssen so verfasst sein, dass sie die jeweils
spezifischen inhaltlichen, die erforderlichen sprachlichen Mittel und die strategischen
Prozesse zu deren Erstellung nachvollziehbar aufzeigen.
Um den Lernenden das nötige Wissen und Können zu vermitteln, wie man beispielsweise eine Präsentation durchführt, müssen die dazu erforderlichen Teilkompetenzen aufgezeigt werden. Dabei beginnt man immer mit einem modellhaften von der Lehrkraft vorgeführten Beispiel.
Auch die Produktion von Texten verläuft output–orientiert, wozu sich in hervorragender Weise die Modelltexte eignen, die als Input-Texte eingesetzt werden (Lernen am Modell). Sie müssen so verfasst sein, dass mit ihnen sowohl die generischen Merkmale einer Textsorte (Textgenres), die genuinen Redemittel (useful words and phrases, Diktion der Textsorte), die Struktur im Aufbau, die typisch inhaltlichen Aspekte und die strategischen Verfahren zur Erstellung (process writing) erarbeitet werden können. Das Lernen am Modell hat in jüngster Zeit durch die Erkenntnisse der Neurobiologie die eigentliche ihm zustehende Wertschätzung wieder erreicht.
3 Das Prinzip des lehrerseitigen Vormachens
Die Lehrkraft hat die Aufgabe, das Lernziel konkret agierend zu demonstrieren. Sie
steht also aktiv im Mittelpunkt dieser Unterrichtsphase.
Die Lehrkraft demonstriert zum Beispiel eine vorbildlich konzipierte Präsentation (Musikinstrument, eine nützliche App), trägt gekonnt ein Gedicht vor, berichtet sehr lebendig über Selbsterlebtes (autobiographisches Erzählen) oder zeigt, wie man erfolgreich nach Informationsquellen sucht und diese auswertet. In neueren Forschungsarbeiten wird auf die bedeutsame Rolle einer engagiert unterrichtenden Lehrkraft sehr dezidiert hingewiesen (vgl. Hattie-Studie). Seit der Entdeckung der Spiegel-Nervenzellen ist bekannt, dass es beim Beobachten einer zielgerichteten Aktion, die von einer Person ausgeführt wird, im Beobachter selbst zu einer stillen Mitaktvierung motorischer Nervenzellen kommt. Was also eine andere Person tut, der man bei der Ausführung einer Handlung zuschaut, führt im Beobachter zu einer inneren Mitreaktion, so als würde er die Handlung im Stillen selbst ausführen. Die neurobiologischen Studien zum intuitiven Verstehen haben die Bedeutung des Miterlebens konkretisiert und somit einen wesentlichen Beitrag zur Reinkarnation des Vormachens und Nachahmens geleistet (Lernen am Modell). Dabei handelt es sich nicht nur um die Imitation motorischer Abläufe, sondern auch um das Verstehen von Emotionen, Gefühlen bzw. um die Fähigkeit, sich in andere Personen hineinzudenken (Empathietüchtigkeit).
4 Das Prinzip der differenzierenden Gestaltung einer Lernaufgabe
Eine Lernaufgabe ist i.d.R. komplex und verbindet mehrere Teilkompetenzen mit
denkerischen Leistungen in konkreten Handlungen, wobei sich die mentalen Ansprü-
che an den unterschiedlichen Leistungsdispositionen der Lernenden ausrichten.
Eine Lernaufgabe weist immer eine gewisse thematische Komplexität auf, die denkerische Leistungen in Form einer kognitiven Durchdringung von multikausalen Beziehungen aufweist, z.B. Keeping pet dogs in the city. oder: For and against industrial farming. Sie bündelt eine Reihe von sprachlichen und nichtsprachlichen Teilkompetenzen bzw. integrativen Skillbereichen, z.B. im projektorientierten Thema „Organizing a good jumble sale“. Sieentspricht den lebensweltlich relevanten Erfahrungen und Gegebenheiten der Lernenden durch abgestimmte Passung, konkreten Lebensweltbezug, individueller Persönlichkeitsentwicklung und Weltorientierung, z.B. Should we have laws that prohibit both body piercing and tattooing? Lernaufgaben beinhalten, wo immer nötig, auch einen Formfokus, z.B. direct vs. indirect
speech, wobei der reaktiv angebotene Formfokus dem präaktiv vorweggenommenen Formfokus i.d.R. überlegen ist. Die Lehrkraft bedient sich zur Erklärung von inter- und intralingualen Differenzen zwischen der Mutter- und Fremdsprache der bewährten und alternativen Visualisierungstechniken.
Differenziert gestaltete Lernaufgaben fördern mit Hilfe von komplexeren und verständlich ausformulierten Arbeitsaufträgen auch nichtsprachliche, manuelle, organisatorische, ästhetische, interkulturelle/transkulturelle Fertigkeiten, z.B. Galary Walk zum Thema „Issues that kids have to deal with today. Ferner werden im Verlauf einer Lernaufgabe sowohl Differenzierungs- als auch Unterstützungsangebote wahrgenommen, z.B. ein inhaltliches, sprachliches, strategisches Scaffolding und andere Formen von task support.
5 Das Prinzip der Reflexion über die eigenen Lernprozesse
Die SchülerInnen erwerben die Fähigkeit, ihre eigenen Lernprozesse zu reflektieren
und erkennen dabei die Bedingungen eines erfolgreichen Fremdsprachenlernens. Aus
Forschungsarbeiten ist bekannt, dass Lernende keine Fremdbeurteilung verstehen
können, wenn sie über die Fähigkeit der Selbstbeobachtung und Selbstbeurteilung
nicht selbst verfügen.
Die Selbstbeobachtung und Selbstbewertung (self-monitoring, self assessment) sind entscheidend bedeutsame Fähigkeiten, über die eigenen Lernprozesse nachzudenken und sich zu fragen, ob man denn richtig lerne. Dabei werden metakognitive Lernstrategien, wie z. B. self management strategies, setting goals and deadlines reflektiert und modifiziert. Die Lernenden erwerben beispielsweise Strategien zum Behalten von lexiko-grammatischen Redemitteln und zur Dekodierung von unbekannten Texten (text attacking skills). Im Umgang mit Fehlern lernen sie, diese zu erkennen, Fehlerursachen (error causes) zu entdecken, Fehler zu vermeiden bzw. mit Fehlern Gewinn bringend umzugehen (learning from your mistakes.). Im Verlaufe der Schuljahre gewinnen sie auf diese Weise allmählich die Einsichten in das eigenverantwortliche Lernen (Kausalattribuierung von Lernversagen bzw. Lernerfolgen), entwickeln dabei die nötigen Selbstregulationsfähigkeiten, entwickeln Lernbewusstheit und Lernorganisation und stärken ihre Selbstwirksamkeitsüberzeugung, z.B. I can do that.
6 Das Prinzip der Verankerung von Feedbackformen im Lernprozess
Feedback steuert das Lernen und Arbeiten in und außerhalb des Unterrichts, es hilft
den Lernenden zielgerecht zu arbeiten (Lernwegorientierung), verstärkt den Willen
zum Weiterlernen (Volition) und ermöglicht generell die o.g. Reflexionstüchtigkeit
über die Qualität der individuellen Lernbemühungen.
Die Lernenden übernehmen sowohl die Rolle des Feedback-Gebers als auch die des Feedback-Nehmers, z.B. Read my essay and give me feedback. Sie erproben unterschiedliche Feedback-Arten (Partner- oder Gruppenfeedback, Feedback durch die Lehrperson, Feedback durch außerschulische Institutionen), modifizieren diese im Verlauf der Lernjahre und entwickeln die Fähigkeit zur reflexiven kommunikativen Interaktion. Darüber hinaus erhöht sich die Kompetenz zur Beurteilung von Lernverfahren, Unterrichtsmethoden, Lernhilfen und Lehrkräften.
Als Feedback-Instrumente dienen auch Checklisten, generische Modelle (z.B. Aufbau eines Bewerbungsschreibens), Produktionsdesigns, visualisierte Lernzuwachstabellen, Kriterienkataloge und Schätzskalen. Beim kompetenzorientierten Unterrichten ist die systematische Hereinnahme von Feedback Verfahren bei der Konzeption von Lerneinheiten geradezu obligatorisch.
7 Das Prinzip des strategischen Lernens
Fremdsprachenkompetenzen können nach dem heutigen Stand der Spracherwerbs-
forschung nur dann optimal entwickelt werden, wenn die Lernenden zur problemlö-
senden Interaktion angehalten werden. Dazu bedarf es der einzuübenden Strategien
im Sinne von mentalen Handlungsplänen.
Den SchülerInnen werden skillorientierte Lernerstrategien und Lerntechniken angeboten, die erprobt, modifiziert, eingeübt und gezielt angewendet werden, z.B. Dekodierungsstrategien für bis dato unbekannte Redemittel in Texten. Sie erwerben die nötigen Kommunikationsstrategien zur Kompensation von ad hoc wahrgenommenen Sprachdefiziten, z.B. mit Hilfe von Umschreibungs- bzw. Paraphrasierungsstrategien, Vereinfachungsstrategien (simplification strategies) oder Kompensationsstrategien in Form von nonverbalen Hilfsmitteln. Beim kompetenzorientierten Unterrichten werden die Lernenden auf weiterführende Spracherwerbsstrategien aufmerksam, die auch zukünftig für den nachschulischen Fremdsprachenerwerb nützlich sind, z.B. Surround yourself with English in your everyday life. Sie erwerben ferner die nötige Methoden- und Medienkompetenz für die Beschaffung von Informationen aus den unterschiedlichen medialen Quellen, deren Strukturierung, Bearbeitung und Darstellung. Der Entwicklung der strategischen Kompetenz wurde bisher zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt.
8 Das Prinzip der kompetenzorientierten Leistungsmessung
Die Aufgaben in einer Klassenarbeit müssen strukturell und thematisch den Lern
aufgaben entsprechen und somit vergleichbare Bearbeitungsmodi einfordern.
Eine Klassenarbeit hat neben einer leistungsbewertenden Funktion auch die Aufgabe des Diagnostizierens der Lernstände, der Feststellung des Förderbedarfs und folgerichtig der Konzeption entsprechender Eingreifmodule zur Beseitigung von auffälligen Defiziten. Sie ist natürlich weniger komplex als eine Lernaufgabe, sollte aber mehrere Teilkompetenzen erfassen, die thematisch eng miteinander verbunden sind. Es ist unstrittig, dass in einer Klassenarbeit auch funktionalgrammatisches Wissen überprüft werden kann, z.B. Erkläre die unterschiedliche Bedeutung der beiden Aussagen (1) „I’m watching football on televison tonight.“ und (2) „I’m going to watch football football on television tonight.“
Im kompetenzorientierten Unterricht werden mit den Lernenden die Bewertungskriterien ausgehandelt (criterion-referenced assessment) und verbindlich festgeschrieben, z.B. Criteria for the evaluation of a presentation. Allgemein sind im kompetenzorientierten FU zwei Formen der Kompetenzüberprüfung von Schülerleistungen möglich. Zum einen in der fortlaufende Begleitung der Kompetenzentwicklung (formative assessment) und zum anderen in der Leistungsbeurteilung durch Klassenarbeiten (summative assessment). Auch andere formative Bewertungsformate sind bestens geeignet, z.B. learning logs, diaries, reading logs oder portfolios. In einem aufgabenorientierten Unterricht müssen, wie bereits erwähnt, die Testformate ebenfalls aufgabenbasiert konstruiert sein, z.B.
Teil A: Einem Lesetext (Zeitungsartikel) bedeutsame Informationen entnehmen und
diese unterstreichen.
Teil B: Einem Hörtext (report) zum selben Thema Informationen entnehmen und die-
se stichwortartig notieren (note taking).
Teil C: Die Informationen der beiden Quellen miteinander zu vergleichen und Wider-
sprüche aufzudecken und diese kontrastiv schriftlich festzuhalten.
Teil D: Seine eigene Meinung in einem kurzen Statement zu Papier bringen.
9 Das Prinzip des kooperativen Lernens
Nach den Ergebnissen der kooperativen Forschung hat sich das Einzelgängertum
ziemlich erledigt. Die kooperativen Lernformen stabilisieren die sozialen Lernme-
thoden und sorgen für relativ umfangreichere Lernzuwächse bei unterschiedlich
ausgeprägten Dispositionen der Lernenden.
Eine Lernaufgabe ermöglicht sowohl selbstständiges als auch kooperatives Arbeiten, z.B. Ask your partners and then give a comment on their answers. Unterschiedliche kooperative Lernmethoden sind im kompetenzorientierten Unterrichten essentiell, z.B. „Think – Pair-Share“, „Placemat“, „Storyline“. Beim kooperativen Lernen wird in vielen Fällen die individuelle Verantwortlichkeit der Gruppenmitglieder durch eine dezidierte Rollenübernahme entwickelt, z.B. Task Manager, Language Monitor, Recorder, Time Monitor, Noise Monitor, Material Manager. SchülerInnen helfen sich gegenseitig bei der Stoffaneignung und tragen gemeinsam die Verantwortung für die Lernergebnisse. Dieses Unterrichtsprinzip reduziert das konkurrenzorientierte Lernen, die Gefahr von Angst- und Selbstwertproblemen, die erdrückende Lehrerdominanz und trägt erheblich zur Verbesserung des Sozialverhaltens bei.
Es reicht allerdings nicht aus, kooperative Lernformen gelegentlich quasi punktuell zu realisieren. Die Umstellung auf dieses Konzept ist vielmehr ein prozedurales Unterfangen, das langfristig anzulegen ist.
10 Das Prinzip der Untrennbarkeit von Grammatik und Wortschatz. Die Forschung
weist darauf hin, dass die traditionelle Trennung von Grammatik und Wortschatz
nicht mit den mentalen Speicherungs- und Abrufprozessen zu vereinbaren ist. Der
kompetenzorientierte Unterricht favorisiert die sog. Lexikogrammatik.
Wortschatz und Grammatik gehören zusammen. Wörter werden in Kontexten gespeichert und ebenso abgefragt. Die SchülerInnen lernen also nicht in der traditionellen Wortgleichung „to use = gebrauchen“, sondern in hochfrequenten, kurzen und anwendungsgeeigneten Merksätzen “What is it used for? = Wozu braucht man das?“ Die Überlegenheit des Lernens von Syntagmen, Kollokationen, Chunks, Sprachroutinen, Idiomen gegenüber der deutsch-englischen Vokabelgleichung ist heute unbestritten.
Die Kompetenzorientierung erfordert allerdings eine effektive Form der Verwaltung der Redemittelinventare. Dazu bietet sich das sog. Phrasebook an, ein DIN A5 Spiralheft mit robusten Deckeln und Daumenindex. Auf dem Daumenindex sind die Themen der curricular verordneten Jahrespensen eingetragen, z.B. Home & Family – Spare Time &Sports – School & Work. Die jeweils anfallenden Redemittel werden diesen Themen zugeordnet, wodurch sich ein primäres Ordnungssystem erreichen lässt.
Im kompetenzorientierten Unterricht wird die Grammatik in ihrer Hilfsfunktion entweder präaktiv oder reaktiv zur Entwicklung kommunikativer Kompetenzen fokussiert. Deshalb ist sie immer kontextbezogen, anwendungsorientiert, funktional (sprechabsichtsgeleitet) und hilft somit den Lernenden beim Aufbau ihrer eigenen internen Grammatik (Interrimsgrammatik). Grammatische Regelhaftigkeiten werden in Form, Funktion, vergleichend zur L1 (Muttersprache) und fehlerprophylaktisch zu anderen Strukturen der L2 (Fremdsprache) erklärt und verständlich alltagssprachlich beschrieben (keine überzogene Metasprache). Den Konsolidierungsphasen kommt dabei eine hohe Bedeutung zu, z.B. wie viele Verbformen kennen wir inzwischen, um über zukünftige Ereignisse zu sprechen? Hier werden die bis dato angefallenen Formen aufgezählt und funktional miteinander verglichen: will/shall future vs. going to future vs. present progressive future, future progressive, simple present future.
Der kompetenzorientierte Unterricht verzichtet auf das Büffeln und Pauken von Grammatik und Wortschatz, zumal auswendig gelernte Regelhaftigkeiten nicht auf andere Kontexte transferiert werden können, ein ebenfalls bedeutungsvolles Ergebnis aus der Neurowissenschaft.
Ausblick
Ein erfolgreicher kompetenzorientierter FU ist immer strukturiert, helfend konzipiert aber auch kognitiv fordernd. Er entspricht den beiden bedeutsamsten Bedingungen, unter welchen der Unterricht optimiert werden kann (vgl. Hattie 2009):
a) Die Lehrkraft muss sich bemühen, das Lernen der Schüler durch die Augen ihrer Schüler
zu sehen und
b) die Lernenden müssen sich selbst als ihre eigene Lehrperson sehen.
Die Auflistung der Prinzipien möge als interimistisch und keineswegs final gesehen werden.
Abschließend ein konkretes Beispiel in 7 Schritten.
Dr. Werner Kieweg, M.A. (München)