Ein Gastbeitrag von Andreas Plath
Betrachtungen zum Französischunterricht in Mecklenburg-Vorpommern
Der Versuch einer Bestandsaufnahme will an ausgewählten Schularten Entwicklungen sowie mögliche Handlungsfelder im Französischunterricht in Mecklenburg-Vorpommern (M-V) aufzeigen und dabei Fragen aufgreifen, die darauf abzielen, Französisch im Land fester zu etablieren. Dabei spielen bundesweit diskutierte Fragen, z.B. zur Vorverlegung der 2. und 3. Fremdsprache (FS) ebenso eine Rolle wie überdenkenswerte landesinterne Regelungen.
Französisch in ausgewählten Schularten
Französischunterricht findet sich in M-V in allen Schularten, von der Grundschule über die Qualifikationsphase des Gymnasiums bis hin zu beruflichen Schulen. Wer dahinter eine ausgeklügelte Systematik oder gar immer wieder fortgeschriebene, konzeptionelle Überlegungen vermutet, wird enttäuscht. Nun kann man fragen: Warum klagen, wenn doch alles irgendwie läuft? Dieses „irgendwie“ soll hier näher betrachtet und der Blick auf bundesweite Entwicklungen gelenkt werden, die manchmal zu Recht, oft aber zu Unrecht ignoriert werden, vor allem immer dann, wenn sich ihre Umsetzung nicht „kostenneutral“ realisieren lässt.
Im Folgenden soll Französisch an öffentlichen Grundschulen, Regionalen Schulen und Gymnasien näher untersucht werden. Da zur Situation des Französischunterrichts in M-V über die benannten Quellen hinaus kein belastbares Datenmaterial zugänglich und wahrscheinlich auch nicht vorhanden ist, müssen u. a. Situationsberichte Verantwortlicher und/oder Beteiligter als Quellen genutzt werden. Hier wird kein Anspruch auf eine umfassende und vollständige Darstellung erhoben. Deshalb wird an dieser Stelle um Nachsicht für Unerwähntes gebeten. Dennoch ist es m. E. möglich, Tendenzen und Handlungsfelder aufzuzeigen.
Der früh beginnende Französischunterricht
Nachdem Englisch seit einigen Jahren ab Klasse 3 flächendeckend an den Grundschulen des Landes eingeführt ist, bleibt die Zukunft von früh beginnendem Französisch ungewiss. Es ist neben Russisch an Waldorfschulen die einzige weitere FS. Da die Grundschulen institutionell nicht verankert sind, stehen sie immer wieder vor strukturellen und personellen Hürden. Hinzu kommt, dass es derzeit kein abgestimmtes Konzept zur kontinuierlichen Weiterführung der FS nach der Grundschule gibt. Selbst etablierte und bewährte Vorgehensweisen können z. T. nur mühevoll aufrechterhalten werden, so dass zu hoffen bleibt, dass den Verantwortlichen vor Ort der Elan nicht ausgeht, für den Erhalt der vorhandenen Ausbildungswege einzutreten. Voraussetzungen für den Frühbeginn Französisch wären bei zielgerichteter, umsichtiger Planung außer im Raum Rostock auch in weiteren Städten/Regionen gegeben. Erinnert sei nur an die mit viel Aufwand betriebene Ausbildung vieler interessierter Grundschullehrer.
Als ein herausragendes Beispiel und ggf. übertragbares Konzept aus dem Raum Rostock kann z.B. die „Grundschule an den Weiden“ gelten. Dort lernen alle Kinder der 10 Grundschulklassen Französisch ab Klasse 1, etwa 200 Schüler. (Damit insgesamt knapp die Hälfte aller Landeskinder im öffentlichen Grundschulbetreich!) Die Kinder haben keine Vorkenntnisse in der Kita erworben. Es gibt gegenwärtig 2 ausgebildete Grundschullehrer, meist unterstützt durch eine französische Lehrkraft im Rahmen des deutsch-französischen Grundschullehreraustausches. In den 1. und 3. Klassen werden jeweils 1 und in den 2. und 4. Klassen 2 Wochenstunden Französisch erteilt. Zusätzlich wird eine weitere Stunde zur Vorbereitung auf die DELF Prim-Prüfung angeboten, die reges Interesse findet. Im Schuljahr 2009/10 erwarben erstmals 12 Schüler der 4. Klasse das DELF-Diplom A1.1, im Schuljahr 2010/11 waren es 14. Es gibt einen gegenseitigen Schüleraustausch mit der Ecole Saint Jeanin Strasbourg.
Eine systematische Fortführung der in der Grundschule erreichten sprachlichen Kompetenzen ab Klasse 5 würde die Arbeit und die Investitionen aufwerten, die Akzeptanz auch bei den Eltern erhöhen und vor allem erfolgreiche Sprachlernbiographien nicht allein den weiterführenden Schulen überlassen. Es bleibt zu hoffen, dass sich der Frühbeginn Französisch u. a. durch die Umsetzung des Abi-Bac Projektes am Innerstädtischen Gymnasium Rostock (das nach wie vor unermüdlich versucht, die personellen, strukturellen und curricularen Voraussetzungen zu schaffen) zumindest in und um Rostock als feste Größe etabliert und dieser Pilotversuch auf die öffentlichen Schulen ausstrahlt. Die Gründung des Netzwerkes „Réseau français “, das die Kollegen der Grund- und weiterführenden Schulen in und um Rostock zusammenführt, ist sicher ein erster, notwendiger Schritt. Ob diese viel versprechende Initiative „von unten“ institutionellen Einfluss ausüben kann, ist dagegen ebenso fraglich wie die Annahme, man könne Sprachenlernbiographien landesweit von den Möglichkeiten und Entscheidungen selbstständiger Schulen abhängig machen.
In vielen privaten Grundschulen, die mittlerweile in den Klassen 5 und 6 „weiterführen“, wie z. B. in Schwerin und in Neubrandenburg oder in Schulen in privater Trägerschaft ist als Fremdsprachenangebot neben Englisch auch Französisch unumstritten fester Bestandteil des Ausbildungsprogramms. Im Übrigen werden sich die „Altgedienten“ unter uns erinnern, dass es sehr wohl auch Erfahrungen mit Französisch ab Klasse 5 an Gymnasien gibt. Wurde damals noch um die 1. FS gekämpft, so haben sich die Rahmenbedingungen mittlerweile grundsätzlich geändert. Es geht nicht mehr darum, Englisch den Rang abzulaufen, sondern sinnvolle Sprachlernbiographien jenseits von nationalen Minimalanforderungen zu etablieren, die nicht zuletzt die Forderung des Europarates nach mehr als einer erlernten FS erfüllen.
Die Situation des Faches Französisch an den Regionalschulen
An Regionalschulen hat Französisch als 2. FS ab Klasse 7 im Wahlpflichtbereich oftmals einen schweren Stand. Die Unterrichtsbedingungen haben sich in den letzten Jahren nach Meinung vieler Französischkollegen verschlechtert. Als Wahlpflichtfach ist Französisch mitunter außerhalb der Kernlernzeit angesiedelt. Zudem entscheiden sich die Schüler oftmals für praktisch orientierte Lehr-/Lernangebote. Manche Französischlerner sind schnell überfordert, und kapitulieren vor den Anforderungen. Trotz zahlreicher motivierender Maßnahmen, z.B. einer starken Handlungsorientierung oder der Einbindung spielerischer und szenischer Elemente, verringert sich in der Tendenz die Schülerzahl mit zunehmenden Lernjahren. Das führt oftmals zu jahrgangsübergreifenden Kursen, die die Lehrkräfte bei einer alle Schüler motivierenden und fördernden Unterrichtsgestaltung schnell an Grenzen stoßen lässt.
Von der Erfüllung der im Rahmenplan von 2002 geforderten Niveaustufe B1 des GeR sind die konkreten Unterrichtsergebnisse in der Realität häufig weit entfernt. Als ein Indiz dafür kann die überaus zögerliche Teilnahme an den DELF-Prüfungen gewertet werden. Das Fach Französisch kann vom sog. „längeren gemeinsamen Lernen“, dem Übergang aller Schüler an die Regionalen Schulen in Klasse 5, im Allgemeinen nicht profitieren, selbst dann nicht, wenn in der Grundschule entsprechende Fertigkeiten oder Kenntnisse erworben wurden. Dabei wäre ein früherer Einstieg in die 2. FS Französisch nicht nur mit Blick auf lerntheoretische und entwicklungspsychologische Aspekte hier viel versprechend, das Erreichen der Anforderungen im Rahmenplan durch mehr Lernzeit realistischer. Ermutigende Erfahrungen zur Weiterführung von Französisch aus der Grundschule aus dem Bereich von Ganztagsschulprojekten oder Arbeitsgemeinschaften zeigen dies deutlich. Vorzeigbare Ergebnisse und bewährte Strukturen findet man hierzu an der Warnowschule Papendorf. Es ist mehr als augenscheinlich, dass weder die Rahmenbedingungen noch die Maßnahmen zur Fachentwicklung, ganz zu schweigen von den curricularen Vorgaben, geeignet sind, den Lehrenden Möglichkeiten für ein zufriedenstellendes Lehr-/Lernarrangement zu bieten.
Die Situation des Faches Französisch an Gymnasien und Gesamtschulen
Französisch ist als 2. FS in der Sekundarstufe 1 ab Klasse 7 an den Gymnasien und Gesamtschulen des Landes fest etabliert. Dort, wo Spanisch als 2. FS angeboten wird, steht Französisch unter Konkurrenzdruck. Die Initiativen der Bildungsabteilung der Französischen Botschaft (Prix des lycéens, Cinéfête, France-mobile, DELF, Austauschprogramme) sind hier in unterschiedlichem Maße größtenteils feste, flankierende Bestandteile des Ausbildungsprogramms. Insbesondere bei den DELF-Prüfungen belegt unser Land im Bundesvergleich prozentual nach wie vor Spitzenplätze. Ob die Ausbildungsziele laut Rahmenplan und Bildungsstandards (B1 des GeR) bis Klasse 10 in der Breite erreicht werden können, wäre eine gesonderte Untersuchung wert. Da Französisch in der Sekundarstufe 1 mit 4, 4, 3 und 3 Wochenstunden auskommen muss, wäre es im Sinne einer Qualitätsentwicklung, hier z. B. das Förderstundenmodell in den Klassen 7 und 8 mit je 2 Stunden wieder zu beleben, um die Klasse teilen zu können. Auch hier wäre zudem der systematisch frühere Einstieg in die 2. FS von Vorteil sein. Unverständlich bleibt, warum eine 2. FS, verankert im Stundenplan, in M-V erst ab Klasse 7 gelernt werden kann, wenn die 1. FS bereits in Klasse 3 beginnt. Es wird kolportiert, dass sogar an einer Vorverlegung der 1. FS Englisch ab Klasse 1 gearbeitet wird. Das macht ein Beharren auf dem Beginn der 2. FS in Klasse 7 noch weniger einsichtig.
Probleme ergeben sich beim Übergang in Klasse 11. Hier fällt die Entscheidung (zu) vieler Schüler gegen eine Weiterführung von Französisch. Dieses nicht nur für M-V symptomatische Problemfeld ist z. T. „hausgemacht“ und z. T. strukturell bedingt. Durch die Einführung des Hauptfach-/Fachsystems in den Klassen 11 und 12 kann eine 2. FS neben Englisch derzeit optional nur dann angewählt werden, wenn dafür auf ein naturwissenschaftliches Hauptfach verzichtet wird. Das hat Auswirkungen auf das Wahlverhalten der Schüler. Die Stellung von Französisch in der Oberstufe ist somit auch strukturell gefährdet, da durch die notwendige Wahl potentielle Schüler verloren gehen und so oftmals Lerngruppengrößen zustande kommen, deren Einrichtung für die Klasse 11 in jedem Jahr neu genehmigt werden muss. Teilweise existieren hier bereits „Notlösungen“ mit jahrgangsübergreifenden Lerngruppen. Wie sich unter diesen Bedingungen das Fach Französisch in der Oberstufe entwickeln wird, ist in der Tendenz noch nicht abzusehen. Es bleibt zu befürchten, dass die 2. FS somit auch strukturell bedingt an Bedeutung in der Oberstufe verlieren wird. Außerdem musste mit (Wieder-)Einführung des G 8 Modells und dem Hauptfachstatus für Französisch eine enorme Einbuße an Unterrichtsstunden hingenommen werden (Leistungskurs 13 zu Hauptfach 12 – rund 550 zu 280 Unterrichtstunden bei weiteren 40 abzüglich Prüfungszeit). Dadurch sind 170 Unterrichtstunden ersatzlos weggefallen. Das kann letztlich nicht ohne Auswirkungen auf die Qualität bleiben. Ein „Grundkursschüler“ in Klasse 13 konnte seinerzeit 50 Unterrichtsstunden (330) mehr in Anspruch nehmen als ein „Hauptfachschüler“ heute. Für Englisch scheint mehr Lernzeit durch die Vorverlegung in Klasse 3 allgemein akzeptiert. An die Rahmenbedingungen für die 2. FS hat hier im Lande hingegen niemand gedacht.
Hinzu kommt, dass eine 3. FS, die ab Klasse 10 erlernt werden kann (neubeginnende FS), in den Klassen 11 und 12 obligatorisch ist. Das führt dazu, dass bei der Wahl einer neu beginnenden FS, z.B. Spanisch in Klasse 10, Französisch ab Klasse 11 in Bedrängnis gerät. Diese Regelung, die für Schüler Regionaler Schulen ohne oder vollständig absolvierte 2. FS sinnvoll sein mag, ist für den gymnasialen Ausbildungsweg (auch in Gesamtschulen) doppelt kontraproduktiv. Zum einen schreckt die Verpflichtung „obligatorisch in den Klassen 11 und 12“ viele Schüler ab, darunter auch Interessenten für Französisch. Hinzu kommt, dass sie weitere Wahlmöglichkeiten in der Qualifikationsphase einschränkt. Zum anderen kann die seit Klasse 7 erlernte FS, meist Französisch, u. U. nicht mehr gewählt werden oder nur bei entsprechender Schülerzahl, wenn zum obligatorischen Stundenpensum zusätzliche Unterrichtsstunden toleriert werden. De facto ist es in M–V höchst problematisch, abgesehen von besonderen Schulprofilen, neben Englisch 2 weitere FS bis zum Abitur zu erlernen. Eine mögliche Lösung, auch hinsichtlich einer nicht nur wünschenswerten Sprachenvielfalt zumindest an den Gymnasien und Gesamtschulen des Landes, wäre mindestens eine in Klasse 10 neu beginnende FS mit dem Status „nicht obligatorisch in Klasse 11/12“.
Überlegungen zur Vorverlegung der 2. FS haben zur Konsequenz, über die Vorverlegung der neu beginnenden FS nachzudenken. Diese brächte mindestens in Klasse 9, wie im Übrigen bereits gehabt, bei entsprechender Stundenzahl vorzeigbare Ergebnisse und leistete einen Beitrag zur Sprachenvielfalt auch in der Oberstufe. Überlegungen dieser Art können jedoch nicht ohne ein Gesamtkonzept zur Fremdsprachenausbildung in M-V, das die Grundschulen und die Regionalen Schulen einschließt, angestellt werden. Ein solches Gesamtkonzept, das die Grundlage für Weiterentwicklungen sein könnte, vermisst man in M-V seit langem.
Entwicklungen[1] der Schülerzahlen im Vergleich der Schuljahre 2003/04 und 2009/10
Seit 1994/95 sanken die Gesamtschülerzahlen in M-V stetig. Im Schuljahr 2003/ 04 waren sie bereits um rund ein Drittel zurückgegangen. Mit dem Schuljahr 2009/10 scheinen sie sich bei knapp der Hälfte der Zahlen im Vergleich zu 1994/95 zu stabilisieren.[2] Warum die dadurch frei werdenden Mittel nicht wie in anderen Bundesländern (z.B. Sachsen) in das Schulsystem reinvestiert, sondern Strukturdebatten geführt wurden, soll hier nicht diskutiert werden.
Im Folgenden werden die Entwicklungen zwischen den Schuljahren 2003/04 und 2009/10 näher betrachtet.
Französischlerner in / im | 2003/04[3] | 2009/10[4] |
Primarbereich | 487 | 437 |
Sekundarstufe 1 | 27108 | 10956 |
Sekundarstufe 2 | 5409 | 3445 |
Insgesamt | 33014 | 14847 |
Auf den ersten Blick scheinen die Schülerzahlen in Französisch die demographische Entwicklung in M-V zwischen 2003 und 2009 widerzuspiegeln. Schaut man genauer hin, fällt zunächst auf, dass bei einem Rückgang der Gesamtschülerzahl um weitere rund 30%[5] die Anzahl im Primarbereich nur leicht rückläufig ist. Das ist ermutigend, wenn man bedenkt, dass 2005 die flächendeckende Einführung von Englisch im Primarbereich (endlich) erfolgte und keinerlei konzeptionellen Überlegungen zur Ausweitung des Fremdsprachenangebotes angestellt wurden. Es scheint gelungen zu sein, trotz gewisser Widrigkeiten die vorhandenen Strukturen einigermaßen aufrechtzuerhalten, was auf engagierte Arbeit hindeutet.
Französischlerner in / im | 2003/04 | 2009/10 |
Primarbereich | 487 | 437 |
Hauptschule | 1 | – |
Realschule | 6674 | 61 |
Schularten mit mehreren Bildungs-gängen u.a. Regionalschulen | 1685 | 3596 |
Gymnasium Sek.1 | 17468 | 6548 |
Gymnasium Sek.2 | 5061 | 2979 |
Klasse 13 | 735 | 594 (Kl.12) |
Gesamtschulen Sek.1 | 1280 | 711 |
Gesamtschulen Sek.2 | 220 | 182 |
Klasse 13 | 37 | 27 (Kl.12) |
Berufliche Schulen | 2779 | 1813 |
davon Fachgymnasium | 2671 | 2054 |
Hält man sich jedoch das Absinken der Gesamtschülerzahl auf rund 70 % im Vergleich zu 2003/2004 vor Augen, so überrascht der unverhältnismäßig hohe Rückgang in den Regionalen Schulen (auf 43,7 %) und mehr noch an den Gymnasien der Sekundarstufe 1 (auf 37,4 %). Auch in der Oberstufe ist diese Tendenz festzustellen (Absinken auf 58,8 %). Ähnliches lässt sich für die Sekundarstufe 1 an Gesamtschulen (55,5 %) und die Berufsschulen (65,2 %) feststellen, wenngleich der Rückgang hier nicht ganz so dramatisch ausfällt. Einzig die Sekundarstufe 2 an Gesamtschulen (82,7 %) liegt deutlich über dem Trend. Vergleicht man die Gesamtzahl der Französischlerner mit der aller Schüler in allgemein bildenden Schulen, so bestätigt sich diese Tendenz. Waren es im Schuljahr 2003/04 noch rund 18 % aller Schüler, die Französisch lernten, so blieben es im Schuljahr 2009/10 nur noch knapp 12 %. Sicher spielt dabei die veränderte Schullandschaft eine entscheidende Rolle. So sank z.B. die Anzahl der Gymnasien zwischen dem Jahr 2000 und 2009 von 84 auf 48.[6] Gern wird zudem die Konkurrenz zum Spanischen angeführt. In der Tat stieg im gleichen Zeitraum die Zahl der Spanischlerner im Land beträchtlich, in absoluten Zahlen allerdings auf niedrigem Niveau. Würde man den Zuwachs an Spanischlernern der Sekundarstufe 1 an Gymnasien von 2009 den Französischlernern zurechnen, ergäbe sich eine Steigerung um rund 6 %, in der Sekundarstufe 2 um rund 10 %.
Spanischlerner in / im | 2003/04[7] | 2009/10[8] |
Gymnasium Sek.1 | 1582 | 1984 |
Gymnasium Sek.2 | 1097 | 1407 |
Klasse 13 | 286 | 389 (Kl.12) |
Gesamtschulen Sek.1 | 169 | 357 |
Gesamtschulen Sek.2 | 43 | 75 |
Klasse 13 | 8 | 27 (Kl.12) |
Entwicklung der Französischlehrkräfte in den Schuljahren 2003/04 und 2009/10
Mit sinkenden Schülerzahlen sinkt auch der Bedarf an Lehrerstunden. Teilzeitbeschäftigungen für Französischlehrkräfte sind deshalb seit längerem vielerorts üblich. Auffällig ist dennoch, dass die Anzahl der Französischlehrkräfte im o. g. Zeitraum signifikant gesunken ist. Hier spielen neben Verrentungen sicher Maßnahmen zum vorzeitigen Ruhestand aber auch Abwanderungen eine Rolle.
Hauptberufliche Lehrkräfte Französisch | 2003/04[9] | 2009/10[10] |
Gesamt | 400 | 312 |
Primarbereich | 2 | 4 |
Realschule | 14 | – |
Regionalschule | 100 | 109 |
Gymnasium | 253 | 160 |
Gesamtschulen | 27 | 31 |
Förderschule | 4 | 3 |
Vollzeit | 230 | 67 |
Teilzeit | 170 | 245 |
Berufschulen | ||
Gesamt | 37 | 30 |
Vollzeit | 36 | 19 |
Teilzeit | 1 | 11 |
Während in fast allen Schularten die Anzahl der Französischlehrkräfte nahezu konstant geblieben oder gar gestiegen ist (Gesamtschulen), mussten die Berufsschulen nach den Gymnasien die größten personellen Einbußen hinnehmen. Sank die Anzahl der Französischlehrkräfte insgesamt im Vergleichszeitraum auf 78%, so fiel sie in den Berufschulen auf knapp 82%, in den Gymnasien auf rund 63%.
Schaut man auf den Altersdurchschnitt, so wird auch hier die in M-V allseits bekannte Tendenz des steigenden Durchschnittsalters deutlich. Überproportional wenige Französischlehrkräfte sind jünger als 40 Jahre alt. Waren es 2003/04 noch 135, so verblieben davon im Jahr 2009/10 nur noch 26.
Hauptberufliche Lehrkräfte Französisch nach Altersgruppen | |||||||
Schuljahr | 30-35 | 35-40 | 40-45 | 45-50 | 50-55 | 55-60 | 60-65 |
2003/04[11] | 39 | 96 | 86 | 79 | 62 | 32 | 4 |
2009/10[12] | 8 | 18 | 90 | 75 | 66 | 35 | 2 |
Bei Stabilisierung oder gar leichtem Anstieg der Schülerzahlen in den nächsten Jahren deutet sich auf längere Sicht ein ernstzunehmendes Personalproblem an, wenn man allein die Ausbildungszahlen im Referendariat und die Einstellungspraxis der letzten Jahre zu Grunde legt, ganz zu schweigen von den im Vergleich zu anderen Bundesländern nach wie vor deutlich schlechteren Einstellungsbedingungen.
Referendare, die die 2. Staatsprüfung Französisch bestanden haben[13] | ||||
Jahr | 2003 | 2005 | 2007 | 2009 |
Allgemeinbildende Schulen | 5 | 7 | 5 | 4 |
Berufliche Schulen | – | – | – | – |
Perspektiven
Die o. g. Problemkreise sind komplexer Natur, jedoch nicht neu. Sie wurden u. a. in Form von Anfragen an die zuständigen Stellen im Bildungsministerium problematisiert. Bei strukturellen und konzeptionellen Fragen bestand das Antwortritual im Verweis auf entsprechende Arbeitsgruppen oder auf das in Arbeit befindliche Fremdsprachenkonzept für M-V. Die Vereinigung der Französischlehrer (VdF) hat nachdrücklich Unterstützung angeboten, ist jedoch nie in konzeptionelle Überlegungen einbezogen worden. Nachdenklich stimmt die vor allem in den letzten Jahren beobachtbare Haltung, Regelungen zum Englischen (vgl. Bildungsstandards oder Rahmenpläne/ Kerncurriculum MV) vorbehaltlos auf das Französische zu übertragen, als ob es keine Unterschiede gäbe. Abgesehen von verschiedenen Fachtraditionen ist aus curricularer und struktureller Sicht die Situation der unumstritten 1. FS Englisch mit den curricularen, fachspezifischen und lerntheoretischen Bedingungen von Französisch als 2. FS nicht vergleichbar. Die VdF wird vor dem Hintergrund ihrer fachlichen Expertise weiterhin konsequent Dialogbereitschaft signalisieren, um Innovationsprozesse anzuregen oder bei Weiterentwicklungen Gehör zu finden.
Die Zuständigkeiten für eine fachspezifische, auf die Belange der Fremdsprachenausbildung im Fach Französischzugeschnittene Infrastruktur sind im Bildungsministerium nicht mehr überschaubar geregelt. Vormals gebündelt (konzeptionelle Fragen, Curricula, Fachverantwortung und -entwicklung, Aus- und Fortbildung, Zusammenarbeit mit Botschaft/Kulturinrichtungen, DELF, Partnerschafts- und Austauschprogramme, Prüfungen, Mitwirkung in bildungspolitischen Gremien) erfolgte eine Verlagerung bzw. Aufteilung von Verantwortlichkeiten, die den Eindruck eines mehr oder weniger geordneten Nebeneinanders mit Fehlstellen hinterlässt. So wird schon seit Jahren Fachentwicklung allein aus den Fremdsprachenverbänden, allen voran aus der VdF betrieben, ohne die die Fachfortbildung zu unterrichtstheoretischen und -praktischen Fragestellungen des Französischunterrichts in M-V brach läge.
Die Diskussion um die Vorverlagerung der 2. FS im Allgemeinen sowieum die Stellung und Bedeutung des Französischunterrichts im Besonderen gewinnt zunehmend an Relevanz, nicht nur weil das Englisch flächendeckend ab Klasse 3 in M-V eingeführt worden ist. Warum die 2. FSn 4 Jahre später nach wie vor in Klasse 7 einsetzen, ist nicht einsehbar, zumal in anderen Bundesländern (z.B. NRW) bereits reagiert wurde, nicht zuletzt vor dem Hintergrund, den 2. FSn mit der G8-Einführung eine annähernd gleiche Lernzeit zu ermöglichen. Das bedeutet, die 2. FS zumindest auf die 6. Jahrgangsstufe vorzuziehen. Auch hier macht sich ein fehlendes Gesamtkonzept zum Fremdsprachenlernen in M-V bemerkbar. Es macht wenig Sinn, das Fremdsprachenlernen im Bereich der 1. FS in der Grundschule zu intensivieren, um dann 4 oder 7 Jahre zu pausieren. Spätestens in Klasse 6, besser in Klasse 5, sollte das Lernen der 2. FS einsetzen. Es ist mittlerweile hinlänglich erwiesen, dass erfolgreiches Fremdsprachenlernen möglichst früh begonnen werden muss. Dies gilt vor allem für die 2. FS(n). Es ist dringend angeraten, rechtzeitig zu prüfen, wann und wie die Vorverlagerung der 2. FS(n) realisiert werden kann, um nicht wie im Falle der flächendeckenden Einführung von Englisch im Vergleich zu anderen Bundesländern ins Hintertreffen zu geraten. Es wird mancherorts behauptet, dass vor allem das „längere gemeinsame Lernen“ in seiner Anlage grundsätzlich hinderlich für strukturell einheitliche Veränderungen in Bezug auf die 2. FS sei. Hierzu sei angemerkt, dass man sich vor dem Hintergrund neuerlicher Strukturdebatten zur Ausweitung der Gemeinschaftsschule nach der Grundschule bis Klasse 8 oder 9 darüber im Klaren sein muss, dass die gesamte Fremdsprachenausbildung in der 2. FS, bislang obligatorisch ab Klasse 7, in der Breite an die Regionalen Schulen mit weit reichenden Konsequenzen verlegt werden muss. Hier hätte eine Minimallösung wie das Vorhalten des aktuellen Fremdsprachenangebotes an den Regionalen Schulen auf Grund seines Lenkungscharakters für die dann weiterführende Schule verheerende Auswirkungen für die derzeit schon eher leidliche Sprachenvielfalt im Bereich der modernen FSn.
Zum Schluss: Vergleicht man die heutigen Rahmenbedingungen für Französisch mit denen Anfang der 90er Jahre, so lässt sich keine positive Bilanz ziehen. Umso erstaunlicher ist das Engagement vieler Fachkollegen, die die vielfältigen Initiativen von französischer Seite oder im Rahmen von deutsch-französischen Kooperationsprojekten erfolgreich aufgreifen, um so mit zusätzlichen Angeboten den Französischunterricht im Interesse der Schüler zu bereichern. Rahmenbedingungen zu verbessern, bedeutet letztlich auch immer Investition in Personal, das es zu qualifizieren, zu halten und vor allem zu gewinnen gilt. Einsatz ist also gefragt. In diesem Sinne: Faites vos jeux!
Andreas Plath, Vorsitzender des Regionalverbandes der
VdF in M-V (redaktionell gekürzt)
[1] Alle Quellenangaben beziehen sich auf www.statistik-mv.de/cms2/STAM_prod/STAM/de/gb/Veroeffentlichungen/index.jsp, letzter Zugriff: 12.7.2011.
[2] Statistisches Amt M-V, Schwerin, 2010: Allgemeinbildende Schulen in M-V Schuljahr 2009/2010, S.7.
[3] Statistisches Landesamt M-V, Schwerin, 2004: Allgemeinbildende Schulen in M-V Schuljahr 2003/2004, S.21.
[4] Statistisches Amt M-V, Schwerin, 2010: Allgemeinbildende Schulen in M-V Schuljahr 2009/2010, S.20.
[5] 183052 in 2003 zu 127472 Schüler in 2009, ebd. S.14.
[6] Statistisches Amt M-V, Schwerin, 2010: Allgemeinbildende Schulen in M-V Schuljahr 2009/2010, S. 9.
[7]Statistisches Landesamt M-V, Schwerin, 2004: Allgemeinbildende Schulen in M-V Schuljahr 2003/2004, S.21.
[8] Statistisches Amt M-V, Schwerin, 2010: Allgemeinbildende Schulen in M-V Schuljahr 2009/2010, S. 19.
[9] Statistisches Landesamt M-V, Schwerin, 2004: Lehrkräfte und Lehrernachwuchs an allgemeinbildenden und beruflichen Schulen in M-V Schuljahr 2003/2004, S.13.
[10] Statistisches Amt M-V, Schwerin, 2010: Lehrkräfte und Lehrernachwuchs an allgemeinbildenden und beruflichen Schulen in M-V Schuljahr 2009/2010, S. 12.
[11] Statistisches Landesamt M-V, Schwerin, 2004: Lehrkräfte und Lehrernachwuchs an allgemeinbildenden und beruflichen Schulen in Mecklenburg-Vorpommern Schuljahr 2003/2004, S.17.
[12] Statistisches Amt M-V, Schwerin, 2010: Lehrkräfte und Lehrernachwuchs an allgemeinbildenden und beruflichen Schulen in M-V Schuljahr 2009/2010, S.16.
[13] ebd. S. 38.