Anka Bergmann (Hrsg.): Fachdidaktik Russisch. Eine Einführung. narr Studienbücher. Narr: Francke Attempto: Tübingen 2014, 352 S., 29,99 €, ISBN 978-3-8233-6720-8
Die lange erwartete Fachdidaktik Russisch ist nun endlich auf dem Markt. Ihr Erscheinen war frühzeitig angekündigt worden. Es wurde auch Zeit für eine neue Fachdidaktik Russisch. Während für andere Fremdsprachen in der jüngeren Vergangenheit z. T. mehrere Fachdidaktiken erschienen sind, mussten die Russischkollegen auf ihre mehr als 20 Jahre warten.
Das Buch ist die Arbeit von Fachdidaktikern für Russisch und Sprachlehrforschern. Es deckt die relevanten Felder einer wissenschaftlichen Fremdsprachendidaktik weitgehend ab. Jedes Kapitel beginnt mit einer Zielorientierung und endet mit Studienaufgaben, leider ohne Steuerungshilfen und Möglichkeiten der Selbstkontrolle. Eine breite Randspalte für Stichpunkte, Querverweise, Übersichten, grafische Darstellungen und eine umfangreiche Bibliografie erleichtern die Lektüre. Nachteilig wirken sich hingegen nicht immer hilfreiche Unterschiede im Schreibstil bei einzelnen Autoren, in der Anlage und Gestaltung von Kapiteln, der Bezugnahme auf den Russischunterricht, der Verbindung theoretischer Betrachtungen mit unterrichtspraktischen Beispielen und der Verwendung und Abgrenzung von Fachtermini (Kompetenz, Können, Fertigkeit etc.) aus. Das Sachregister kann nicht überzeugen: Einerseits fehlen grundlegende Begriffe wie z. B. Prinzipien des Russischunterrichts, Hypothesen des Fremdsprachenerwerbs, Erwachsenenbildung, Lehrverfahren Grammatik; andererseits wird z. B. der Begriff Steuerung elfmal genannt, ohne dass er eine wirkliche Suchhilfe wäre.
Die Fachdidaktik ist in vier thematische Blöcke gegliedert. Teil 1 bietet einen konzentrierten Einblick in die Bedingungen des Russischlernens in Geschichte und Gegenwart.
Im Teil 2 werden theoretische Grundlagen und Bezüge der Fachdidaktik Russisch zu Grundlagen- und Nachbarwissenschaften behandelt. Dabei werden aktuelle fachdidaktische Probleme historisch und wissenschaftslogisch eingeordnet. Das Grundverständnis wird manchmal durch die z. T. komplizierte Darstellung erschwert. Bei so wichtigen Themen wie z. B. der Kompetenzorientierung und Ergebnisstandards hätten wir uns zudem eine stärkere Bezugnahme auf den Russischunterricht gewünscht. Vermisst werden zusammenhängende Darlegungen zu Anforderungen an Russischlehrer und –lernende.
Der größte Raum ist auf 197 Seiten mit Recht den Handlungsfeldern des Russischunterrichts gewidmet. Obwohl dort empirisch kaum untersucht und belegt, werden am Beginn von Teil 3 die Textkompetenz sowie die Lernaufgaben und deren Planung in den Focus gerückt und relativ breit erörtert, ohne dass für die Entwicklung der Textkompetenz im Russischunterricht konkrete Empfehlungen gegeben und diese an Beispielen demonstriert werden. Sehr viel konkreter und praxisnäher werden die kommunikativen Sprachaktivitäten Hörverstehen, Hör-Seh-Verstehen, Lesen und Leseverstehen, Sprechen, Schreiben und Sprachmittlung auf den Russischunterricht bezogen und unter Berücksichtigung der Standards des GeR, der Rahmenpläne und aktuellen Lehrwerke betrachtet. Aussprache und Aussprachevermittlung sowie die russische Schrift werden in getrennten Kapiteln übersichtlich und praxisbezogen dargestellt. Wenig zielführend und lückenhaft ist die unmotivierte Abhandlung der Wortschatz- und Grammatikvermittlung in einem Kapitel, da gerade hierbei erhebliche Unterschiede in Theorie und Praxis offenkundig sind. Warum wird hier nicht auf methodische Grundverfahren und einzelne Schritte der Erarbeitung von Wortschatz und Grammatik eingegangen? Informativ und anregend sind die Kapitel zur Entwicklung interkultureller Kompetenz, zum sprachenübergreifenden Lernen, zu Sozialformen und Differenzierung und zum Medieneinsatz. Es fehlen zusammenhängende Darstellungen zu den Feldern „Literaturbehandlung“, „Bilingualer Russischunterricht“ und „Russisch in der Erwachsenenbildung“. Im Kapitel über Referenzmaterialien für den Russischlehrer stehen nicht wie erwartet fachdidaktische, sondern linguistische Quellen im Mittelpunkt.
Teil 4 befasst sich mit der Evaluation und dem Umgang mit Fehlern im Russischunterricht. Breiten, u. E. zu großen Raum nehmen hier Testgütekriterien und Testformate ein, während Formen der Bewertung und Beurteilung nur eine marginale Rolle spielen. Nicht hinreichend beantwortet werden Fragen nach Eignung und Einsatzort der im Russischunterricht praktizierten Bewertungsformen und nach Orientierungshilfen bei der Fehlerkorrektur.
Fazit: Die neue Fachdidaktik tut dem Russischunterricht trotz mancher Schwächen und Lücken gut. Den Studierenden der Lehramtsstudiengänge gibt sie einen Überblick über Grundlagen der Fachdidaktik Russisch und Anregungen für ein vertieftes Studium. Den Referendaren und Fachdidaktikern hilft sie bei der inhaltlichen und methodischen Ausgestaltung der Fachseminare und schulpraktischen Tätigkeit. Interessierte Russischlehrer können manche hilfreiche Anregung vor allem zu den Handlungsfeldern für den eigenen Unterricht nutzen.